6o
Der philosophische Glaube angesichts der christlichen Offenbarung
ben gilt der Satz von dem vorhergehenden Handeln Gottes im konkreten Tun und
Sichereignen (für den philosophischen Glauben gilt solcher Satz nur im Ganzen als
das Sichgeschenktwerden in einer Welt, die selber nicht das letzte, sondern Erschei-
nung oder Übergang ist). Der Gott der Gläubigen ist konkret, nah, der lebendige, der
biblische Gott, die Gottheit der Philosophie ist abstrakt, fern, bloß gedacht. Jener ist
der Gott Augustins, diese die Plotins.
2. Wir antworten: Der nahe Gott ist für endliche Wesen unerläßlich, aber nur in
Chiffern da. Diese sind ihrem Wesen nach vielfach, daher entsteht der nahe Gott in
der Weise des Polytheismus. Dieser wird verschleiert im faktischen Offenbarungsglau-
ben, wenn auch der eine Gott dogmatisch erhalten bleibt. Für den Offenbarungsgläu-
bigen ist unbemerkt der eine Gott, wenn er nahe ist, je in besonderer Gestalt. Der Eine
selbst bleibt der ferne Gott, dessen Einssein selber nur eine Chiffer ist.
Die Chiffern, zur leibhaftigen Realität Gottes geworden, sind alsbald viele Götter,
daher unwahr und Gegenstand des Aberglaubens. Sie bleiben mögliche Wahrheit nur
in den Chiffern als geschichtliche Sprache des fernen Gottes.
Der ferne Gott, schon als nur gedachter, hält den Raum frei. Er befreit von den leib-
haftigen Göttern und Offenbarungen, wenn sie abergläubisch fixiert werden; er be-
freit von allen Ausschließlichkeiten, Fanatismen, gewaltsamen Akten, die in dem Glau-
ben an den zeitlich-räumlich sich selbst zeigenden Gott verborgen sind.
Der philosophische Glaube will in den nahen Göttern als Chiffern niemals den fer-
nen, allein wirklichen Gott verlieren, dann aber den fernen Gott in den nahen Chif-
fern lebendig erfahren. Daher bleibt alles Nahe schwebend. Durch das Nahe aber er-
folgt auch erst die geschichtliche Einsenkung des Glaubens hier und jetzt.
Wenn der philosophische Glaube für sich die ausschließende Offenbarung ver-
wehrt, sie selber und ihre Gehalte in Chiffern übersetzt, so ist zwar ein Nebengrund
die Aufklärung, die auf ihrem Wege weiß, was sie weiß und nicht weiß. Wesentlich
aber ist die vom philosophischen Glauben erfahrene Wirklichkeit der Transzendenz
selber in ihrer Verborgenheit. Am Maßstab des ihr entsprechenden Gottesgedankens,
wie er in den Höhepunkten der biblischen Schriften und in der Philosophie da ist,
müßte, wenn eine von Offenbarungsgläubigen gebrauchte Ausdrucksweise von der
Philosophie angewendet werden dürfte und könnte, die Behauptung von der Mensch-
werdung Gottes als Gotteslästerung erscheinen, wie sie dem Menschen Jesus, soweit
wir von ihm wissen, erschienen wäre.
Die Wirklichkeit Gottes ist dort am stärksten fühlbar, wo sie durch keine Leibhaf-
5P tigkeit, durch kein menschliches Sichnäherbringen verschleiert ist, wo es vielmehr
ganz ernst ist mit den biblischen Sätzen: du sollst dir kein Bildnis und Gleichnis ma-
chen,181 - deine Gedanken sind nicht Gottes Gedanken,590 - und wo diese Sätze an der
Grenze für die glaubende Existenz noch im Scheitern gelten. Denn Existenz liest zwar
die schwebenden und vieldeutigen Chiffern, aber macht sich kein Gottesbild.
Der philosophische Glaube angesichts der christlichen Offenbarung
ben gilt der Satz von dem vorhergehenden Handeln Gottes im konkreten Tun und
Sichereignen (für den philosophischen Glauben gilt solcher Satz nur im Ganzen als
das Sichgeschenktwerden in einer Welt, die selber nicht das letzte, sondern Erschei-
nung oder Übergang ist). Der Gott der Gläubigen ist konkret, nah, der lebendige, der
biblische Gott, die Gottheit der Philosophie ist abstrakt, fern, bloß gedacht. Jener ist
der Gott Augustins, diese die Plotins.
2. Wir antworten: Der nahe Gott ist für endliche Wesen unerläßlich, aber nur in
Chiffern da. Diese sind ihrem Wesen nach vielfach, daher entsteht der nahe Gott in
der Weise des Polytheismus. Dieser wird verschleiert im faktischen Offenbarungsglau-
ben, wenn auch der eine Gott dogmatisch erhalten bleibt. Für den Offenbarungsgläu-
bigen ist unbemerkt der eine Gott, wenn er nahe ist, je in besonderer Gestalt. Der Eine
selbst bleibt der ferne Gott, dessen Einssein selber nur eine Chiffer ist.
Die Chiffern, zur leibhaftigen Realität Gottes geworden, sind alsbald viele Götter,
daher unwahr und Gegenstand des Aberglaubens. Sie bleiben mögliche Wahrheit nur
in den Chiffern als geschichtliche Sprache des fernen Gottes.
Der ferne Gott, schon als nur gedachter, hält den Raum frei. Er befreit von den leib-
haftigen Göttern und Offenbarungen, wenn sie abergläubisch fixiert werden; er be-
freit von allen Ausschließlichkeiten, Fanatismen, gewaltsamen Akten, die in dem Glau-
ben an den zeitlich-räumlich sich selbst zeigenden Gott verborgen sind.
Der philosophische Glaube will in den nahen Göttern als Chiffern niemals den fer-
nen, allein wirklichen Gott verlieren, dann aber den fernen Gott in den nahen Chif-
fern lebendig erfahren. Daher bleibt alles Nahe schwebend. Durch das Nahe aber er-
folgt auch erst die geschichtliche Einsenkung des Glaubens hier und jetzt.
Wenn der philosophische Glaube für sich die ausschließende Offenbarung ver-
wehrt, sie selber und ihre Gehalte in Chiffern übersetzt, so ist zwar ein Nebengrund
die Aufklärung, die auf ihrem Wege weiß, was sie weiß und nicht weiß. Wesentlich
aber ist die vom philosophischen Glauben erfahrene Wirklichkeit der Transzendenz
selber in ihrer Verborgenheit. Am Maßstab des ihr entsprechenden Gottesgedankens,
wie er in den Höhepunkten der biblischen Schriften und in der Philosophie da ist,
müßte, wenn eine von Offenbarungsgläubigen gebrauchte Ausdrucksweise von der
Philosophie angewendet werden dürfte und könnte, die Behauptung von der Mensch-
werdung Gottes als Gotteslästerung erscheinen, wie sie dem Menschen Jesus, soweit
wir von ihm wissen, erschienen wäre.
Die Wirklichkeit Gottes ist dort am stärksten fühlbar, wo sie durch keine Leibhaf-
5P tigkeit, durch kein menschliches Sichnäherbringen verschleiert ist, wo es vielmehr
ganz ernst ist mit den biblischen Sätzen: du sollst dir kein Bildnis und Gleichnis ma-
chen,181 - deine Gedanken sind nicht Gottes Gedanken,590 - und wo diese Sätze an der
Grenze für die glaubende Existenz noch im Scheitern gelten. Denn Existenz liest zwar
die schwebenden und vieldeutigen Chiffern, aber macht sich kein Gottesbild.