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Der philosophische Glaube angesichts der christlichen Offenbarung
der Sache. Sie ist auch das Ziel des philosophischen Glaubens in unserer transzendent
gegründeten Wirklichkeit. Philosophie und Theologie würden wieder eins.
Dies Ziel, so leicht hingesagt, nicht Gegenstand eines Planens, ist nicht konkret
sichtbar. Nur mit unbestimmten Hoffnungen kann ein Philosophierender in diese
Richtung blicken. Er muß sich dabei bewußt bleiben, daß in der Offenbarung, die ihm
nur Chiffer ist, jedenfalls heute noch für manchen Bekenntnisgläubigen vielleicht ein
anderes Geheimnis liegt, das er nicht einmal zu ahnen vermag.
Wohl aber gilt nicht nur für ihn, sondern für alle, welche Frieden auf Erden wol-
len, das Folgende: Wir dürfen nicht mehr das Auge verschließen vor einer Grundtat-
sache unseres abendländischen Lebens. Nicht im eigentlichen biblischen Glauben,
aber in den biblischen Schriften liegt eine von ihm bis heute schwer loslösbare Grund-
haltung: Die Wahrheit ist eine, sie ist durch die Offenbarung im Besitz der Gläubigen.
Sie gilt ausschließlich. Alle Menschen sollen ihr, gehorsam gegenüber der Verkündi-
gung, folgen. Das ewige Heil der Seele ist davon abhängig. Die Glaubenserkenntnis ist
daher eine Sache auf Leben und Tod in der Ewigkeit, so wichtig, daß alles andere da-
gegen zurücktreten kann. Es ist der Teufelsfuß in den biblischen Schriften und ihren
Folgen. Die Philosophie, unter diesem Einfluß, ist ihrerseits oft diesem philoso-
phiefremden Wesen erlegen. Die Neigung zum Rechthaben hat hier einen Ursprung.
Was der einen Wahrheit nicht folgt, gilt als verächtlicher Skeptizismus. Der Ernst des
Spiels im spekulativen Denken verwandelt sich in den bitteren, beschränkten »Ernst«
der Glaubenserkenntnis und ihres dogmatischen »Bekennens«. Der menschlich-kom-
munikative Zug der Wahrheit geht verloren. Der Ort der eigentlichen Entscheidung
wird aus der Lebenspraxis, das heißt aus dem transzendent gegründeten, sich verwirk-
lichenden und darin menschlich überzeugenden Ethos verlegt in den Bekenntnisakt,
der schon als solcher für Philosophie eine Verkehrung des Wahrseins ist.
Das alles wird anders, wenn wir, den »verhüllenden« Charakter der Offenbarung
aufnehmend, den Schritt tun, die »Offenbarung« selber als Chiffer aufzufassen. Dann
69 wäre eine Verwandlung im Grund des Offen|barungsglaubens möglich. Wenn die
Offenbarung nicht mehr als Realität, sondern selber als Chiffer gilt, dann ist sie qua-
litativ nicht mehr herausgehoben aus der Chiffernwelt im Ganzen. Sie wäre die Chif-
fer, die die grenzenlose Sehnsucht des Menschen, daß Gott selbst real gegenwärtig
würde, einen Augenblick als erfüllt ansehen ließe, um sogleich in die Härte und
Größe seines geschaffenen Freiseins zurückzutreten, für die Gott unerbittlich verbor-
gen bleibt.
e. Die Weisen der Chiffern
Das Reich der Chiffern ist keine Reihe nebeneinander stehender Zeichen. Gemeinsam
ist nur eines, daß sie mehr als Zeichen sind. Denn Zeichen bezeichnen ein anderes, das
auch direkt gesagt, gesehen, gekannt werden kann. Chiffern bedeuten eine Sprache,
Der philosophische Glaube angesichts der christlichen Offenbarung
der Sache. Sie ist auch das Ziel des philosophischen Glaubens in unserer transzendent
gegründeten Wirklichkeit. Philosophie und Theologie würden wieder eins.
Dies Ziel, so leicht hingesagt, nicht Gegenstand eines Planens, ist nicht konkret
sichtbar. Nur mit unbestimmten Hoffnungen kann ein Philosophierender in diese
Richtung blicken. Er muß sich dabei bewußt bleiben, daß in der Offenbarung, die ihm
nur Chiffer ist, jedenfalls heute noch für manchen Bekenntnisgläubigen vielleicht ein
anderes Geheimnis liegt, das er nicht einmal zu ahnen vermag.
Wohl aber gilt nicht nur für ihn, sondern für alle, welche Frieden auf Erden wol-
len, das Folgende: Wir dürfen nicht mehr das Auge verschließen vor einer Grundtat-
sache unseres abendländischen Lebens. Nicht im eigentlichen biblischen Glauben,
aber in den biblischen Schriften liegt eine von ihm bis heute schwer loslösbare Grund-
haltung: Die Wahrheit ist eine, sie ist durch die Offenbarung im Besitz der Gläubigen.
Sie gilt ausschließlich. Alle Menschen sollen ihr, gehorsam gegenüber der Verkündi-
gung, folgen. Das ewige Heil der Seele ist davon abhängig. Die Glaubenserkenntnis ist
daher eine Sache auf Leben und Tod in der Ewigkeit, so wichtig, daß alles andere da-
gegen zurücktreten kann. Es ist der Teufelsfuß in den biblischen Schriften und ihren
Folgen. Die Philosophie, unter diesem Einfluß, ist ihrerseits oft diesem philoso-
phiefremden Wesen erlegen. Die Neigung zum Rechthaben hat hier einen Ursprung.
Was der einen Wahrheit nicht folgt, gilt als verächtlicher Skeptizismus. Der Ernst des
Spiels im spekulativen Denken verwandelt sich in den bitteren, beschränkten »Ernst«
der Glaubenserkenntnis und ihres dogmatischen »Bekennens«. Der menschlich-kom-
munikative Zug der Wahrheit geht verloren. Der Ort der eigentlichen Entscheidung
wird aus der Lebenspraxis, das heißt aus dem transzendent gegründeten, sich verwirk-
lichenden und darin menschlich überzeugenden Ethos verlegt in den Bekenntnisakt,
der schon als solcher für Philosophie eine Verkehrung des Wahrseins ist.
Das alles wird anders, wenn wir, den »verhüllenden« Charakter der Offenbarung
aufnehmend, den Schritt tun, die »Offenbarung« selber als Chiffer aufzufassen. Dann
69 wäre eine Verwandlung im Grund des Offen|barungsglaubens möglich. Wenn die
Offenbarung nicht mehr als Realität, sondern selber als Chiffer gilt, dann ist sie qua-
litativ nicht mehr herausgehoben aus der Chiffernwelt im Ganzen. Sie wäre die Chif-
fer, die die grenzenlose Sehnsucht des Menschen, daß Gott selbst real gegenwärtig
würde, einen Augenblick als erfüllt ansehen ließe, um sogleich in die Härte und
Größe seines geschaffenen Freiseins zurückzutreten, für die Gott unerbittlich verbor-
gen bleibt.
e. Die Weisen der Chiffern
Das Reich der Chiffern ist keine Reihe nebeneinander stehender Zeichen. Gemeinsam
ist nur eines, daß sie mehr als Zeichen sind. Denn Zeichen bezeichnen ein anderes, das
auch direkt gesagt, gesehen, gekannt werden kann. Chiffern bedeuten eine Sprache,