Metadaten

Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 13): Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung — Basel: Schwabe Verlag, 2016

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.51323#0225
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
124

Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung

Die Darstellung sollte beide Denkweisen zur möglichen Einfachheit bringen: Ein-
mal das Wißbare zu straffer Schematik der für unsere Absicht wesentlichen Punkte
(man darf sich nicht verlieren an die unendliche Verwicklung des historisch Realen;
diesem sich hinzugeben ist unerläßlich für historische Forschung und zur Befriedi-
gung der Wahrhaftigkeit unseres Realitätsbewußtseins, aber nicht für die Aufgabe die-
ser Schrift) - und dann das durch Denken auf Grund der Umwendung zu Vollziehende
zu der Konzentration einer je mit einem einzigen Gedankenakt zusammengreifenden
Bewegung.
Die beiden Denkweisen halten sich gegenseitig am Zügel. Ohne die Gegenwärtig-
keit der Realitäten verströmt das durch die Umwendung befreite Denken ins Leere.
Ohne die aus der Umwendung erwachsene Denkungsart legen die Realitäten in Fes-
seln und ziehen ins Endlose.
Da die Lektüre nur im Mitdenken auf dem Wege über die je besonderen Gedanken
zur Einsicht in die Denkungsart im Ganzen führt, möchte der Autor den Zusammentritt
des Gedachten, soweit es möglich ist, auch technisch erleichtern. Die ausdrücklichen
Bezeichnungen der Schritte, die pedantisch anmutenden Dispositionsangaben sollen
der Aufmerksamkeit dienen, damit sie die jeweiligen Positionen sowohl in ihren Tei-
len wie im Zusammenhang auffasse.
42 | (b) Was die Darstellungen nicht leisten und was ihr Sinn ist: Die Themata dieses
Buches umkreisen in näheren und ferneren Abständen das, was selber nicht ein defi-
niertes Etwas werden kann. Von ihm her, hoffe ich, werden die Gedankengänge um so
entschiedener - nämlich nicht nur durch rationale, sondern mit deren Hilfe durch
existentielle Logik - geführt.
Wenn die Deduktion eines Ganzen aus einem Prinzip und wenn die widerspruchs-
lose Ordnung der Gedanken auf Teilbereiche beschränkt, für das Ganze des Philoso-
phierens aber vergeblich bleibt, dann liegt die philosophische Aufgabe anders:
Auf dem Wege über die objektive Betrachtung werden Tatsachen vor einem Verges-
sen bewahrt, das alles Weitere unwahr machen würde.
Auf dem Wege über die Vergewisserung des immer unfertigen, daher im Fortschritt
bleibenden Grundwissens werden wir gerettet aus unseren objektiv sich schließenden
Entwürfen eines Totalwissens.
Auf dem Wege über die Vergewisserung der Wahrheit, die wir selbst sein können,
gewinnen wir unseren geschichtlichen Grund.
Wohl rede ich also auf weite Strecken betrachtend von den Dingen, auch vom Of-
fenbarungsglauben und vom philosophischen Glauben; wohl vollziehe ich Gedanken,
die als gültige Sachverhalte auftreten; wohl suche ich mich durch die Erfahrung mei-
ner selbst der Wahrheit zu vergewissern in Aussagen über existentielle Möglichkeiten.
Was ist das Ziel? Keineswegs ein nicht mögliches und daher auch nicht vorhande-
nes philosophisches Wissen, das man in Besitz nehmen könnte, ohne selbst zu sein.
Das immer vorläufige Ziel des in Büchern niedergelegten Philosophierens ist vielmehr
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften