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Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 13): Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung — Basel: Schwabe Verlag, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.51323#0232
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Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung 131
Glaube kann nicht durch einen Gedanken erzwungen, auch nicht als bloßer Inhalt
angegeben und mitgeteilt werden. Glaube ist die Kraft, in der ich mir gewiß bin aus
einem Grunde, den ich wohl bewahren, aber nicht herstellen kann.
| Glaube kann das Umgreifende heißen, das Ganze, das unerschütterlich ist, er- 50
schüttert erst, wenn die eine Seite, bloß die des glaubenden Subjekts oder bloß die des
geglaubten Objekts, für sich genommen wird.
Glaube ist der Grund vor aller Erkenntnis. Er wird im Erkennen heller, aber nie
bewiesen.
3. Gegen den Gattungsbegriff sowohl von Offenbarung wie von Glauben überhaupt
wendet sich der christliche Offenbarungsglaube, sofern er in diese Begriffe eingeschlossen
werden sollte. Es gibt nur einen Glauben und nur eine Offenbarung, die einzige Offen-
barung, die durch das Wort der Bibel und die Tradition bezeugt ist. Für diesen Glau-
ben ist die historische Betrachtung verschiedener Offenbarungsansprüche nicht maß-
gebend. Er erhebt den Wahrheitsanspruch eines keinen religionsgeschichtlichen,
religionsphilosophischen, religionspsychologischen Kategorien Zugehörenden.
Die Offenbarung fällt aus ihnen allen heraus, steht zu allem Denkbaren, Vergleich-
baren, Allgemeinen und mehrfach Vorkommenden gleichsam quer. Die Offenbarung
gibt es nicht als Realität, die untersuchbar wäre. Sie kann auf eine selber unbegreifliche
Weise gehört und dann vom Hörenden bezeugt werden auf eine Weise, die keine Ver-
wandtschaft mit irgendeinem andern Zeugnis hat.
Wenn aber doch von der christlichen Offenbarung gesprochen wird, muß es un-
umgänglich sogleich in allgemeinen Kategorien getan werden. Wird die Einzigkeit und
Ausschließlichkeit der christlichen Offenbarung im Reden von ihr beansprucht, so
muß sie durch Gedanken eines Allgemeinen begründet werden. Das geschieht in der
Propaganda des Glaubens für Menschen, die die Einzigkeit noch nicht hören. Die
Glaubenden verkündigen nicht nur, sondern wollen überreden, Wege führen, auf de-
nen man dieses Einzigen ansichtig werden solL Dann ist die Rede von den spezifischen
Charakteren, die das Christentum von allen anderen Religionen unterscheiden.
(a) Man erzählt die Geschichte: Die Worte Gottes - seinen Bund mit Israel, dem
Gottesvolke - seine Verheißungen - sein Sprechen durch die Propheten - die Erschei-
nung Christi und die frohe Botschaft. Man weist auf die heiligen Schriften und die Rea-
lität der Kirche. Aber die Einmaligkeit, die jede Geschichte, und auch die Geschichte
anderer Offenbarungsreligionen und die Geschichte jeder Wirklichkeit ist, reicht für
die Einzigkeit und Ausschließlichkeit der christlichen Offenbarung nicht aus.
| Dieser Anspruch ist vielmehr selber offenbart: er ist der Anspruch Gottes. Es wird 51
darauf hingewiesen, daß in allen sogenannten Offenbarungsreligionen nie solcher An-
spruch erhoben worden sei.
(b) Ausgezeichnet ist der christliche Glaube dadurch, daß Gott dem Glaubenden
persönlicher Gott, diese Person als Person das Absolute ist. Als Person spricht Gott an,
fordert, zürnt, ist gnädig und barmherzig. In allen Religionen gibt es persönliche Göt-
 
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