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Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 13): Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung — Basel: Schwabe Verlag, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.51323#0236
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Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung

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letzte der jüdischen Propheten, wie diese verkündigend, Gottes Willen aussprechend,
Unheil und Gericht voraussagend, Buße fordernd. Jesus hat weder sich als Messias er-
klärt, noch sich selbst zum Sakrament gemacht52 durch Einsetzung des Abendmahls,
noch eine Kirche gestiftet.
Man meint, in der ersten Verkündigung der Apostel (dem Kerygma) die Offenba-
rung zu haben. Sie beginnt mit der Auffassung Jesu als des Christus, seiner messiani-
schen Bedeutung, auf Grund des Glaubens an seine Auferstehung.
Man unterscheidet die Offenbarung von ihrem Verständnis. Das Verständnis des
Kerygma entfaltet erst die Theologie. Und dieses theologische Verständnis, das aber
im Verhältnis zur Offenbarung selber schon im Neuen Testament beginnt, erlaubt und
fordert Kritik und Diskussion, ob recht verstanden sei.
Da aber das Kerygma selber in menschlicher Sprache mitgeteilt wird, ist es auch
schon Verstehen und damit Theologie, so weit auch zurückgegangen wird: wir hören
in menschlicher Sprache. Eine Grenze zwischen dem, dem zu gehorchen ist, und dem,
was kritisch zu diskutieren ist, zwischen der Offenbarung und dem Verständnis der
Offenbarung, ist nicht zu bestimmen. Das, was hier das Gehorsam Fordernde ist, liegt
vor der allgemein verständlichen Sprache. Es ist auch in der Offenbarung des Kerygma
von Anfang an schon verborgen. Es ist der Bezugspunkt, der in der Sprache zwar ge-
meint wird, aber selbst nicht in dieser Sprache sich mitteilen kann.
Einen klaren Offenbarungsbegriff vermag der Offenbarungsungläubige nicht zu
gewinnen. Was definiert wird, trifft immer zu wenig oder zu viel. Aber was nicht an-
gemessen definiert werden kann, ist doch als Glaube von Menschen da.
Weder der Offenbarungsglaube noch die Offenbarung ist ein eindeutig feststellba-
rer Tatbestand, mit dem man operieren kann wie mit Dingen, die in der Welt vorkom-
men. Daher ist die Betroffenheit vom Offenbarungsglauben grundsätzlich anders als
die von dem Gehalt menschlicher Ordnungen, Philosophien, Wissenschaften.
(b) Die Offenbarung, die geglaubt wird, ist Kundgabe oder Handlung Gottes. Über
sie kann nicht hinausgefragt werden, ihr ist zu gehorchen. Der Glaube an Offenbarung
aber, der sich seiner bewußt wird, seine Gewißheit mitteilt, denkt.
Er ist sich gewiß, daß in der Offenbarung selber der Grund ihres Gedachtwerdens
liegt. Sie selber ist Wort im Sinne des ursprünglichen | Logos. Ohne zu denken, was
ihm offenbart wird, könnte der Denkende die Gehalte seines Glaubens weder zu eigen
gewinnen noch mitteilen. Das Denken ist ihm nicht ein Hinzukommendes, sondern
schon in der Offenbarung mitgegeben. Daher kann zwar nicht über die Offenbarung
hinausgefragt, aber in sie hineingefragt werden, ohne Grenze. Die Antwort wird zu-
letzt immer das vernünftig Denkbare, der Logos selbst sein. Auf dem ursprünglichen
Logos-sein beruht die Möglichkeit aller Auslegung.
Das ist nicht die einzige Antwort. Denken kann sich nicht ohne allgemeine Begriffe
vollziehen. Aber die Offenbarung gilt als absolut geschichtlich. Daher ist sie durch all-
gemeine Gedanken nicht erreichbar und nicht erschöpfbar. Alles Offenbarungsden-

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