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Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]; Schwabe AG [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 13): Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung — Basel: Schwabe Verlag, 2016

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.51323#0266
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Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung

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durch die wir als wir selbst unseres Ursprungs gewiß werden, nicht Sprache gewinnen.
Was nicht zur Erscheinung kommt, ist, als ob es nicht wäre.
| Der historische Vordergrund darf uns nicht genügen. Die Gefahr der historischen 93
Objektivierung ist, daß wir mit dem, was wir wissen, das, was Ernst und Wirklichkeit
war, für das eigene Bewußtsein ausschließen, wie die Philosophie mit dem, wovon sie
redet, das, worauf es ankommt, nicht nur fördert, sondern auch gefährdet.
Die Befriedigung in Betrachtung der unendlichen Mannigfaltigkeit des Histori-
schen, als ein Übergang berechtigt, wird zur existentiellen Ablenkung. Die Erfassung
der Objektivität des Faktischen ist zwar Bedingung, um das Überhistorische zu hören,
aber rein als solche verschleiert sie es. Die Erscheinungen zu sehen, ist unerläßlich.
Ohne uns an ihnen zu orientieren, würden wir irreal bleiben. Wir müssen Geschichte
und Menschenwelt, in der wir leben, kennen.
In Betrachtung der Geschichte zu verharren, Freude am Schönen und Großen, An-
tipathie gegen das Gemeine und Kleine zu erfahren, das öffnet noch nicht den Grund,
sondern nur eine humanistische Bildungswelt, eine zweite Welt, schwebend in der
wirklichen. Der humanistische Umgang ist uns willkommen als freies, nur an Texte
und Monumente sich bindendes Spiel im Betrachten, als Grund und Weg zur Erfor-
schung des Tatsächlichen, als Genuß des Verstehens. Aber wir spüren Gefahr in der in-
neren Verfassung, die, dem Reichtum des Herrlichen und Schrecklichen zugewandt,
unwillkürlich in sich verharrt.
Diese Verfassung, ehrfürchtig vor dem, was sie jeweils für groß hält, tut doch den
Menschen als Menschen Unrecht. Sie stellt sie in einer Objektivierung vor sich hin
und beurteilt sie in solcher Gestalt als vermeintliche Instanz, die die Weltgeschichte
sieht und richtet.
Dann aber: Wir sollen in Berührung kommen mit dem Wesentlichen. Das kann
erst geschehen, wenn wir durch die Erscheinungen hindurch übergeschichtlich mit
dem in Kommunikation kommen, was als Ernst der Menschen so zu uns spricht, daß
wir selber anders werden. Wo wir diese Sprache hören, ändert sich der Umgang mit
den historischen Erscheinungen. Dann verzichten wir auf die Unendlichkeit des uns
gleichgültig werdenden Nur-historischen, wissend, daß zwar überall Götter sind, wir
aber nicht als übermenschliche Wesen die Fähigkeit haben, uns von allem ansprechen
zu lassen. Wir folgen nicht mehr nur den Emotionen des Zuschauens, sondern dem,
was uns bewegt zum Selbstwerden im inneren und äußeren Handeln. Wir wissen, ein
jeder in seiner Weise, die Beschränktheit in unseren Möglichkeiten des Existierens,
aber wir wissen nicht, wie weit unsere Offenheit uns wird gelangen lassen.
| Unsere kurzen Darstellungen lenkten auf Beurteilungen hin. Denn historisches 94
Verstehen schließt mögliche Beurteilungen in sich. Woher aber diese eigentlich kom-
men, wurde noch nicht klar. Sie blieben selber vordergründig.
Eine Grenze historischer Darstellung liegt schon im Sprechen durch allgemeine Be-
griffe, die als solche nicht die geschichtliche Wirklichkeit angemessen treffen. Unser
 
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