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Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung
Für den Verstehenden, der unterscheidet, was er versteht und was er nicht versteht,
ist nun entscheidend, daß das Nichtverstandene für ihn nicht nichts ist. Es macht ihn
betroffen, zumal dann, wenn der Offenbarungsglaube in für ihn hochstehenden und
liebenswerten Menschen seit Jahrtausenden wirklich ist und Folgen hat.
Die Wahrhaftigkeit des Philosophierens verlangt von sich, den Offenbarungsglau-
ben in der Schärfe seiner Unverstehbarkeit bestehen zu lassen. Er ist in seinen Aussa-
gen für rationales Denken voller Widersprüche, erscheint im Handeln und Existieren
durch Unvereinbarkeiten. Diese Widersprüche und Unvereinbarkeiten aber werden
selber zum Element des Glaubens, werden gesteigert und bewußt gemacht (vom credo
quia absurdum Tertullians120 bis zu Kierkegaards121 Paradox und dem Glauben kraft des
Absurden). Die Offenbarung offenbart, aber so, daß sie verbirgt.
Von Anfang an standen Offenbarungsglaube und das, was er »natürliche Vernunft«
nennt, in Spannung zueinander. Aber verschleiernd für unser Problem ist die Selbst-
verständlichkeit, mit der von natürlicher Vernunft gesprochen wird, als ob wissen-
schaftliche Erkenntnis und philosophische Einsicht dasselbe sei.
3. Die Frage, was natürliche Vernunftsei
Ist der Offenbarungsglaube oder die ihm gewisse Offenbarung unnatürlich, widerna-
türlich, übernatürlich? Diese Entgegensetzung hat nur Sinn, wenn man weiß, was man
unter »natürlicher Vernunft« versteht und was unter »Offenbarung«, die nicht natür-
lich ist.
107 (1) Die Unterscheidung ist zuerst gedacht vom Offenbarungs|glauben her. Offen-
barungstheologie charakterisiert ihre Gegner, das heißt die, die sich der durch sie aus-
gelegten Offenbarung nicht unterwerfen, als Menschen, die sich auf das Natürliche
beschränken, das im Denken als solchem, in dem Verstand, in der Welterkenntnis und
in der Spekulation des Seins liegt. Das letztere nennt sie natürliche Theologie. Dieses
ganze Natürliche aber sei, wenn es sich selbst genügen wolle, Verlorenheit. Das Heil
sei erst im Übernatürlichen, das in der Offenbarung gegeben, im Glauben ergriffen
wird. Erst von dort her erhält auch das Natürliche im Ganzen seinen relativen Sinn,
während der glaubende Gehorsam sich Gott unterwirft, der übernatürlich spricht
durch die geschichtlich einmaligen Propheten und Apostel und eine sich überlie-
fernde Autorität, welche von Menschen in Anspruch genommen wird, die die Kirche
bevollmächtigt.
(2) Was aber heißt »Natur« und »natürliches Denken«, wie sie von sich selbst her
gedacht werden? Der Begriff in seiner Vieldeutigkeit stammt aus der stoischen Philo-
sophie. Er umfaßt alles, was im Menschen und was in der Welt liegt, das Sein und das
Sollen, die Notwendigkeit und die Freiheit, den Logos, der eins ist mit der Gottheit, als
Pneuma die Welt durchströmt, im Denken und in der Praxis dem Menschen als Men-
schen zugänglich wird durch das, was er selbst als Wirkung und Teil der Gottnatur ist.
Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung
Für den Verstehenden, der unterscheidet, was er versteht und was er nicht versteht,
ist nun entscheidend, daß das Nichtverstandene für ihn nicht nichts ist. Es macht ihn
betroffen, zumal dann, wenn der Offenbarungsglaube in für ihn hochstehenden und
liebenswerten Menschen seit Jahrtausenden wirklich ist und Folgen hat.
Die Wahrhaftigkeit des Philosophierens verlangt von sich, den Offenbarungsglau-
ben in der Schärfe seiner Unverstehbarkeit bestehen zu lassen. Er ist in seinen Aussa-
gen für rationales Denken voller Widersprüche, erscheint im Handeln und Existieren
durch Unvereinbarkeiten. Diese Widersprüche und Unvereinbarkeiten aber werden
selber zum Element des Glaubens, werden gesteigert und bewußt gemacht (vom credo
quia absurdum Tertullians120 bis zu Kierkegaards121 Paradox und dem Glauben kraft des
Absurden). Die Offenbarung offenbart, aber so, daß sie verbirgt.
Von Anfang an standen Offenbarungsglaube und das, was er »natürliche Vernunft«
nennt, in Spannung zueinander. Aber verschleiernd für unser Problem ist die Selbst-
verständlichkeit, mit der von natürlicher Vernunft gesprochen wird, als ob wissen-
schaftliche Erkenntnis und philosophische Einsicht dasselbe sei.
3. Die Frage, was natürliche Vernunftsei
Ist der Offenbarungsglaube oder die ihm gewisse Offenbarung unnatürlich, widerna-
türlich, übernatürlich? Diese Entgegensetzung hat nur Sinn, wenn man weiß, was man
unter »natürlicher Vernunft« versteht und was unter »Offenbarung«, die nicht natür-
lich ist.
107 (1) Die Unterscheidung ist zuerst gedacht vom Offenbarungs|glauben her. Offen-
barungstheologie charakterisiert ihre Gegner, das heißt die, die sich der durch sie aus-
gelegten Offenbarung nicht unterwerfen, als Menschen, die sich auf das Natürliche
beschränken, das im Denken als solchem, in dem Verstand, in der Welterkenntnis und
in der Spekulation des Seins liegt. Das letztere nennt sie natürliche Theologie. Dieses
ganze Natürliche aber sei, wenn es sich selbst genügen wolle, Verlorenheit. Das Heil
sei erst im Übernatürlichen, das in der Offenbarung gegeben, im Glauben ergriffen
wird. Erst von dort her erhält auch das Natürliche im Ganzen seinen relativen Sinn,
während der glaubende Gehorsam sich Gott unterwirft, der übernatürlich spricht
durch die geschichtlich einmaligen Propheten und Apostel und eine sich überlie-
fernde Autorität, welche von Menschen in Anspruch genommen wird, die die Kirche
bevollmächtigt.
(2) Was aber heißt »Natur« und »natürliches Denken«, wie sie von sich selbst her
gedacht werden? Der Begriff in seiner Vieldeutigkeit stammt aus der stoischen Philo-
sophie. Er umfaßt alles, was im Menschen und was in der Welt liegt, das Sein und das
Sollen, die Notwendigkeit und die Freiheit, den Logos, der eins ist mit der Gottheit, als
Pneuma die Welt durchströmt, im Denken und in der Praxis dem Menschen als Men-
schen zugänglich wird durch das, was er selbst als Wirkung und Teil der Gottnatur ist.