Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung
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Aber im Denken des Umgreifenden rückt unser Bewußtsein näher | an das, was wir 150
eigentlich wollen, ohne es geradezu sagen zu können.
Denn die Wirklichkeit selber ist schlechthin geschichtlich, nicht allgemein. Der
Entschluß ist nicht abzuleiten aus einem Allgemeinen. Aber er drängt dazu, im Allge-
meinen sich heller zu werden, durch Allgemeines sich erwecken zu lassen.
Würde man dem Entwurf des Umgreifenden Entscheidungslosigkeit vorwerfen, so
ist die Antwort: Entscheidung liegt nicht im Gedachten, das vielmehr als solches in
bloße Möglichkeit verwandelt. Sie liegt allein in der geschichtlichen Existenz selber.
Denken ist nur Orientierung und Erhellung. Es ist ein Mittel. Daher bezeugt sich Phi-
losophie nicht schon in einer Stringenz der gedanklichen Entfaltung, sondern erst in
der Lebenspraxis des Denkenden.
4. Einwand gegen die Idee des einen Grundwissens. - Der Einwand lautet: Jedes Grund-
wissen, auch das heute versuchte, ist faktisch eine Glaubensäußerung unter anderen
und nicht die einzige.
Wie jeder Glaubensursprung sich für den eigentlichen und allein wahren hält, so
auch der Ursprung dieses Grundwissens.
Es ist eine Selbsttäuschung, gleichsam vor allem Glauben und über allen Glauben
hinaus ein allgemeines Grundwissen gewinnen zu können.
In diesem philosophischen Versuch, der weder Wissenschaft noch Glaube sein soll,
der heraustreten möchte aus der Glaubensbindung, um allgemeine, verbindende
Wahrheit zu beanspruchen, verbirgt sich nur ein abstrakter Glaube.
Der Glaubenscharakter zeigt sich auch daran, daß ein solches Grundwissen keines-
wegs allgemein angenommen wird.
Antwort: Dieser Einwand selber ist abstrakt. Denn er läßt sich nicht auf die konkrete
Vergegenwärtigung dieses Grundwissens ein, nicht auf den Versuch.
Aber der Einwand ist nicht grundlos. Denn es handelt sich nicht um zwingende
Wissenschaft. Nur ist der Schluß nicht gültig: also ist auch hier, wie bei aller Philoso-
phie, schon der Glaube maßgebend.
In der Tat ist ein Glaube im Grunde wirksam. Aber dieser Glaube meint keinen
Glaubensinhalt, der andere ausschließt. Er ist nur der Glaube an die Möglichkeit, sich
uneingeschränkt gegenseitig zu verstehen. Er ist der Glaube, der sagt: Wahrheit ist, was
uns verbindet.137
Daher wird in den Weisen des Umgreifenden vergegenwärtigt, wie wir uns finden,
mit dem Ziel, auch durch die Klarheit des Trennenden und durch das Wissen von den
Ursprüngen vernichtenden | Kampfes im Ganzen die Wege zu finden, diese Kämpfe zu 151
beschränken und zu verwandeln.
Dieses Ziel verlangt eine alloffene Vergegenwärtigung, in der ein jeder sich der
Weite seiner Möglichkeiten bewußt wird. Aber es verlangt nicht einen bestimmten
Glaubensinhalt, eine Weise des absoluten Grundwissens. Daher bedeutet der Entwurf
dieser modernen Gestalt des Grundwissens nicht die Verkündigung einer nun endgül-
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Aber im Denken des Umgreifenden rückt unser Bewußtsein näher | an das, was wir 150
eigentlich wollen, ohne es geradezu sagen zu können.
Denn die Wirklichkeit selber ist schlechthin geschichtlich, nicht allgemein. Der
Entschluß ist nicht abzuleiten aus einem Allgemeinen. Aber er drängt dazu, im Allge-
meinen sich heller zu werden, durch Allgemeines sich erwecken zu lassen.
Würde man dem Entwurf des Umgreifenden Entscheidungslosigkeit vorwerfen, so
ist die Antwort: Entscheidung liegt nicht im Gedachten, das vielmehr als solches in
bloße Möglichkeit verwandelt. Sie liegt allein in der geschichtlichen Existenz selber.
Denken ist nur Orientierung und Erhellung. Es ist ein Mittel. Daher bezeugt sich Phi-
losophie nicht schon in einer Stringenz der gedanklichen Entfaltung, sondern erst in
der Lebenspraxis des Denkenden.
4. Einwand gegen die Idee des einen Grundwissens. - Der Einwand lautet: Jedes Grund-
wissen, auch das heute versuchte, ist faktisch eine Glaubensäußerung unter anderen
und nicht die einzige.
Wie jeder Glaubensursprung sich für den eigentlichen und allein wahren hält, so
auch der Ursprung dieses Grundwissens.
Es ist eine Selbsttäuschung, gleichsam vor allem Glauben und über allen Glauben
hinaus ein allgemeines Grundwissen gewinnen zu können.
In diesem philosophischen Versuch, der weder Wissenschaft noch Glaube sein soll,
der heraustreten möchte aus der Glaubensbindung, um allgemeine, verbindende
Wahrheit zu beanspruchen, verbirgt sich nur ein abstrakter Glaube.
Der Glaubenscharakter zeigt sich auch daran, daß ein solches Grundwissen keines-
wegs allgemein angenommen wird.
Antwort: Dieser Einwand selber ist abstrakt. Denn er läßt sich nicht auf die konkrete
Vergegenwärtigung dieses Grundwissens ein, nicht auf den Versuch.
Aber der Einwand ist nicht grundlos. Denn es handelt sich nicht um zwingende
Wissenschaft. Nur ist der Schluß nicht gültig: also ist auch hier, wie bei aller Philoso-
phie, schon der Glaube maßgebend.
In der Tat ist ein Glaube im Grunde wirksam. Aber dieser Glaube meint keinen
Glaubensinhalt, der andere ausschließt. Er ist nur der Glaube an die Möglichkeit, sich
uneingeschränkt gegenseitig zu verstehen. Er ist der Glaube, der sagt: Wahrheit ist, was
uns verbindet.137
Daher wird in den Weisen des Umgreifenden vergegenwärtigt, wie wir uns finden,
mit dem Ziel, auch durch die Klarheit des Trennenden und durch das Wissen von den
Ursprüngen vernichtenden | Kampfes im Ganzen die Wege zu finden, diese Kämpfe zu 151
beschränken und zu verwandeln.
Dieses Ziel verlangt eine alloffene Vergegenwärtigung, in der ein jeder sich der
Weite seiner Möglichkeiten bewußt wird. Aber es verlangt nicht einen bestimmten
Glaubensinhalt, eine Weise des absoluten Grundwissens. Daher bedeutet der Entwurf
dieser modernen Gestalt des Grundwissens nicht die Verkündigung einer nun endgül-