Metadaten

Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]; Schwabe AG [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 13): Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung — Basel: Schwabe Verlag, 2016

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.51323#0317
License: Free access  - all rights reserved
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
216

Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung

mit der ich nicht nur als denkendes und sehendes Wesen überhaupt, sondern im Mit-
tun meines möglichen »ich selbst« innerlich handle.
Sofern das Denken auch hier unumgänglich objektiviert (etwa in weiteren Signa wie
Entschluß, Wahl, Kommunikation, Eigenwille, Sichverschließen, Sichoffenbarwerden,
Umkehr), ist jedesmal der Leitfaden eine erscheinende Objektivität, eine psychologi-
sche Tatsächlichkeit des Verstehbaren, eine bestimmte, d.h. definierbare Begrifflich-
157 keit. Aber mit diesen Objektivierungen wird etwas gegenwärtig, das mir in solchem
Denken dann verschwindet, wenn ich den Leitfaden für das Gemeinte nehme. Die
Worte dieses vergegenständlichenden Leitfadens heißen Signa der Existenz, im Unter-
schied von den Kategorien des gegenständlich Gedachten und Aussagbaren.
Drittens: Wie die Gegenstände zum denkenden Bewußtsein, verhält sich Transzen-
denz zur Existenz. Die Vorstellungen, Bilder, Gedanken im Medium des Bewußtseins
überhaupt, in denen ich als mögliche Existenz eine Sprache der Transzendenz höre,
nennen wir Chiffern der Transzendenz. -
Was Erscheinung ist, wird in Begriffen beschrieben und gedacht. Was ich eigent-
lich bin und sein kann als ich selbst, wird durch Signa getroffen. Was eigentliche Wirk-
lichkeit und nur für Existenz erfahrbar ist, wird in Chiffern gegenwärtig.
Da wir aus der Welt nicht heraustreten können, außer in den inkommunikablen
mystischen Erfahrungen, in denen Ich und Gegenstände, Subjekt und Objekt, Mensch
und Welt, Erscheinungen überhaupt verschwinden, bedürfen wir in der Welt der Si-
gna und Chiffern, um uns des Wesentlichen als des Wirksamen bewußt zu werden, das
wir sein können und durch das wir sind.
Die Aufeinanderfolge der drei: Phänomene, Signa, Chiffern ist derart, daß das je
Folgende auf das Frühere als Mittel des Verständnisses angewiesen ist. Daher ist von
uns im Sprechen gefordert, die Leitfäden zu benutzen, ohne die keine Sprache der Chif-
fern wirklich wird, so die Phänomene für die Signa und Chiffern, so die Signa der Exis-
tenzerhellung für die Bezüge zur Transzendenz. Aber auch im Ineinander der drei ist
die Trennung des Sinns nicht zu vergessen. Sonst geraten wir in die existentielle Kon-
fusion von Wissen (der Phänomene), von Existenzerhellung (durch Signa), von Be-
schwören der Transzendenz (durch Chiffern).
Wenn wir von Zeichen, Symbolen, Chiffern reden, so kann man unterscheiden: Zeichen sei de-
finierbare Bedeutung eines Anderen, als solches auch unmittelbar Zugänglichen; Symbol sei die
Gegenwart eines Anderen in anschaulicher Fülle, in der das Bedeuten und das Bedeutete un-
trennbar eines, das Symbolisierte nur im Symbol erst selber da ist; Chiffer sei Sprache des Tran-
szendenten, das nur durch Sprache, nicht durch die Identität von Sache und Symbol im Sym-
bol selbst zugänglich ist.
Wir ziehen das Wort Chiffer dem Worte Symbol vor. Chiffer bedeutet »Sprache«, Sprache der
Wirklichkeit, die nur so gehört wird und angesprochen werden kann. Symbol dagegen bedeu-
tet eine Vertretung für ein Anderes, auch wenn dieses nur im Symbol und auf keine andere Weise
T58 Ja sein | kann. In Symbolen sind wir meinend auf das Andere gerichtet, das dadurch Gegen-
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften