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Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 13): Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung — Basel: Schwabe Verlag, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.51323#0332
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Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung

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denz, sondern auf die zwischengeschaltete raumzeitliche Realität. Diese selber soll Gott sein.
Jesus selber soll Mensch und als Christus zugleich Gott sein. Das ist nach Spinoza ebenso gut
verstehbar, vielmehr so widersinnig wie der Satz: der Kreis ist Quadrat.141 Spinoza war vielleicht
einer der Menschen stärksten, unbeirrbaren Gottesglaubens in den neueren Jahrhunderten.
Diese zwischengeschaltete Offenbarungsrealität soll in Zeichen zugänglich sein. Diese Zei-
chen aber sind nicht mehr bezogen auf die verborgene Gottheit, sondern auf die spezifische
Realität Gottes in der Welt, auf den Eintritt Gottes in die Welt an dieser ausgezeichneten Stelle.
Sie treffen einen in der Welt fiktiven Punkt, der die Realität der Transzendenz und zeitlich-räum-
liche Realität zugleich sein soll. Daß diese Identität nicht sein kann, kommt darin zum Aus-
druck, daß der Theologe in Zeichen von der zeitlichen Realität des Offenbarungsaktes spricht,
statt von der Transzendenz.
Für etwas, das in der Welt lokalisiert und aus aller anderen Realität - die in Geschichte und
Schrifttum bezeugt wurde - herausgenommen ist, aber doch real da sein soll, soll es noch Zei-
chen geben, die an seine Stelle treten. Die Zwischenschaltung ist dann überflüssig. Denn die
Transzendenz bleibt verborgen in dieser Offenbarkeit. Und sie scheint unmöglicher Gegenstand
eines Glaubens. Denn entweder ist die Offenbarung leibhaftig die Realität Gottes oder die Of-
fenbarung ist gar nicht.
Wenn die Offenbarungsrealität sich nur in Zeichen kundgibt, dann gibt es zwei Transzen-
denzen, von denen das gleiche gesagt wird: nicht selbst, sondern in Zeichen sind sie da, beide
im »verbergenden Offenbaren«.
Entweder ist die Offenbarungsrealität da, für den Sinn zu tasten, wie für den ungläubigen
Thomas, der dadurch glaubend wird,142 oder sie ist verborgen wie die Transzendenz selbst und
nur eine Chiffer und nicht mehr Offenbarungsrealität. Der Mensch kann sie nur wahrnehmen
durch einen neuen, ganz anderen, menschlich nicht verständlichen Glauben, der - nach einer
dogmatischen Theorie - nur einigen, nicht allen Menschen durch die Gnade Gottes zuteil wird.

| (3) Die Feststellung der Offenbarungsrealität durch Bezeugung: 176
»Uns genügt die Feststellung, daß der Christus des Paulus und der Synoptiker die Sakramente tat-
sächlich eingesetzt hat, und zwar nur Taufe und AbendmahL«iI43 Tatsächlich? »Tatsächlich« ist
hier doch nur, daß Paulus und die Synoptiker von der Einsetzung sprechen und deren Worte (et-
was abweichend) mitteilen. Ist dieses tatsächliche Dokument ein beweisendes Zeugnis, daß Je-
sus diese Einsetzung vollzogen hat? Nein, dies ist bei historischer Analyse sogar sehr unwahr-
scheinlich. Der Theologe von Soden zieht den Schluß dieser Erkenntnis: das Sakrament steht
nicht am Anfang einer Entwicklung, sondern am Ende. »Jesus hat sich nicht selbst zum Sakra-
ment gemacht.«144 Das aber ist gleichgültig für den Offenbarungsgläubigen. Ihm kommt es gar
nicht auf Jesus an. »Christus, der auch das Sakrament einsetzt, ist der Christus der Propheten und
Apostel. Also nicht der von diesem Zeugnis abstrahierte, historische Jesus. Diese unmaßgeblich
konstruierte Größe ist hier wie anderweitig theologisch belanglos. Der die Sakramente eingesetzt
hat, ist der Kyrios, den wir nicht dem Fleische nach kennen, sondern im Geiste durch das Zeug-
nis des Wortes seiner Berufenen.«iiI4S So schreibt Karl Barth in der Nachfolge Kierkegaards. Die-
ser sagte, alles Historische verwerfend, nur auf den einen Satz käme es an, daß Gott Mensch

i Barth, 1. c. S. 447.
ii 1. C. S. 447.
 
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