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Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 13): Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung — Basel: Schwabe Verlag, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.51323#0354
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Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung

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Diese Konstruktion der Sinngebilde in der Realität menschlichen Verhaltens stößt, dem Sinn
nachdenkend, auf jeweils letzte Voraussetzungen. Sie lehrt die Kämpfenden, denkend zu die-
sen Voraussetzungen zu gelangen und sich ihrer bewußt zu werden. Sie will die Fragen nach der
Konsequenz oder Nichtkonsequenz in der geschichtlichen Verwirklichung dieser Voraussetzun-
gen beantworten.
(b) Der Entwurf des Grundwissens als Lehre von den Weisen des Umgreifenden zeigt erstens
einen Kampf innerhalb der Weisen des Umgreifenden durch die Vielfachheit der in ihnen auf-
tretenden Erscheinungen und zweitens einen Kampf der Weisen des Umgreifenden gegenein-
ander. Die Lehre konstruiert die Idee eines Miteinander der Weisen in Ordnung und Unterord-
nung, aber auch den Ausbruch einzelner Weisen (des Verstandes, des Daseins, des Geistes usw.)
infolge ihrer Verabsolutierung mit dem Anspruch, je als diese zur Führung der anderen berufen
zu sein (vgL den dritten Teil dieses Buches).
(c) Bei der Erhellung der Wahrheit gelangt man vielleicht in dem jeweiligen Horizont des
Denkens zu letzten, zunächst unüberschreitbaren Alternativen, etwa zu den Alternativen
von grenzenloser oder unter Bedingungen beschränkter Kommunikation, von Offenheit
oder Ausschließlichkeit, von Vernunft oder Katholizität (vgL mein Buch »Von der Wahrheit«
S. 832-868).
(4) Objektivierungen der Kämpfe und Darinstehen: Mit dem Denken der Mächte stehen
wir nicht außerhalb ihres Kampfes, sondern in ihm. Versuchsweise aus einem Ge-
sichtspunkt die Mächte in Sche|maten zu objektivieren, bedeutet nicht, wir hätten
von einem archimedischen Punkt außerhalb das Ganze wie ein Schlachtfeld vor Au-
gen, an dem wir nicht selbst beteiligt wären. Wir sind trotz aller Energie, rein zusehen
zu wollen, immer als Träger der Mächte auch dabei. Wir können nicht spekulativ, wie
ein Dirigent die Spieler der Instrumente, so die Mächte leiten, ohne mitzuspielen.
Die Situation ist vielmehr die: Wenn wir erstreben, den Kampf zu objektivieren, als
ob wir ihn von fern her überblickten, springen wir zugleich hinein, um mitzukämpfen.
Wir müssen zugleich außerhalb und innerhalb sein, uns zugleich betrachtend verhal-
ten und existieren. Wir können wohl eine maximale Distanzierung zu uns und damit
Freiheit von uns erstreben. Aber mit unserem Erdenken von Mächten und Schlacht-
feldern bringen wir doch jedesmal schon Gebilde hervor, die selber Werkzeuge im
Kampfe werden. Jedes Bild von Mächten steht zugleich im Dienst von Mächten. Wir
kommen nicht heraus. Erst wenn die Freiheit in der Distanzierung vom Kampf sich
verbindet mit der Freiheit des Hineinspringens in den Kampf, gewinnen wir die uns
mögliche ganze Freiheit.
Der Kampf der Mächte spielt sich durchweg nicht auf einer einzigen Ebene zwi-
schen klar unterschiedenen Mächten ab. Im Inneren verwirren sich die Fronten. Es ist
nicht möglich, auch nur eine Macht bestimmt und substantiell zu fassen. Der Kampf
ist von der Art, daß die Mittelpunkte (die Substanzen oder die Subjekte der Mächte)
sich zugleich entziehen. Der Kampf kann erscheinen als Vordergrundsgeschehen, das
in sinnhaften Zusammenhängen objektivierbar ist. Könnte im Grunde des Kampfes
der Mächte ein Eines sein, das alle verbindet?

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