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Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung
Die Spannung des Revoltierenden und des Konservativen zeigt sich in den Chif-
fern für beides als unaufhörlicher Kampf. Die Chiffer der Einheit beider würde zur täu-
schenden Chiffer der dialektischen Harmonie werden.
Im Transzendieren über die Chiffern in das Chiffernfreie zu blicken, wohin zu ge-
langen uns versagt ist, woher wir aber im Reich der Chiffernsprache, von ihm umgrif-
fen, die Chiffern in ihren Kämpfen und Zweideutigkeiten hören und nicht verstum-
men lassen, das ist Bedingung unserer Freiheit.
Diese Freiheit ist die Chance unseres Weges in der Welt und unserer Ruhe im Schei-
tern.
(2) Sind wir verloren, weil wir nicht mehr leibhaftig realisierend, sondern in Chif-
fern glauben? Ist die Folge das Erlöschen alles denkenden Glaubens? Der Glaube kann
eine neue Gestalt gewinnen. Es handelt sich nicht um Preisgabe des Glaubens, son-
dern seiner nicht für immer gültigen Formen und Inhalte.
Wenn die radikale Befreiung, die wir heute kennen, Freiheit selber vernichten
kann, die Folge die existentielle Eeerheit ist, dann ist vielmehr die Frage, in welcher
neuen Erfüllung wir wir selbst werden. Wenn die Entzauberung der erkennbaren Welt
das Erlöschen allen Glaubens zur Folge zu haben scheint, dann ist vielmehr die Frage,
wie der Glaube selber seine neue Gestalt gewinnt. Niemand kann sagen, wie er in der
Verbreitung unter Menschen aussehen wird.
Es zeigen sich zwei Möglichkeiten. Die Befreiung führt entweder durch den aus
Wissenschaftsaberglauben und technischer Überwältigung erwachsenden Nihilismus
in das totale Unheil der rational beherrschten Unfreiheit, oder die Befreiung führt aus
dem stets gegenwärtigen Ursprung des Menschen zur Freiheit schaffenden Selbstseins.
Was im einzelnen Menschen der höchsten Klarheit, unter Voraussetzung der Situa-
tion unseres Wissens und Könnens, möglich ist, wenn dem Anspruch der Wahrheit be-
dingungslos Folge geleistet wird, das können zunächst nur Einzelne durch ihr Denken,
ihre Eebenswirklichkeit bezeugen. Aber kein Mensch, da er jetzt und nur einmal lebt,
kann warten. Philosophie muß, trotzdem sie auf dem Wege ist, jederzeit auch schon am
Ziel sein. Sie hat ihren Sinn nicht im Gedankenwerk, sondern als Praxis und Denkungsart.
444 | (3) Was dem Einzelnen, was wenigen gelingt oder zuteil wird, das bestimmt heute
weniger als je den Gang der Dinge. Daß alle Menschen lesen und schreiben lernen, durch
die Mittel des technischen Zeitalters im Verkehr miteinander stehen, Kunde gewinnen
können, kann sie alle, und nicht nur eine winzige Minorität, teilnehmen lassen am Den-
ken, Schauen, Handeln der Besten. Die herrlichsten Werke der Vergangenheit, Dichtun-
gen und Kunstwerke, die Teistungen der Gegenwart werden allen zugänglich.
Daher genügt heute nicht, was Einzelne geistig erreichen und existentiell verwirk-
lichen. Wenn auch in ihrem Sein und Tun der Grund liegt dessen, was aus dem Men-
schen wird, so doch nur, wenn es die Massen erreicht und nicht nur im gegenseitigen
Sicherkennen einiger Freunde da ist. Jeder einzelne Mensch lebt unter den Milliarden
der Erdbevölkerung und jeder von diesen ist ein Einzelner. Was wird, geschieht durch
Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung
Die Spannung des Revoltierenden und des Konservativen zeigt sich in den Chif-
fern für beides als unaufhörlicher Kampf. Die Chiffer der Einheit beider würde zur täu-
schenden Chiffer der dialektischen Harmonie werden.
Im Transzendieren über die Chiffern in das Chiffernfreie zu blicken, wohin zu ge-
langen uns versagt ist, woher wir aber im Reich der Chiffernsprache, von ihm umgrif-
fen, die Chiffern in ihren Kämpfen und Zweideutigkeiten hören und nicht verstum-
men lassen, das ist Bedingung unserer Freiheit.
Diese Freiheit ist die Chance unseres Weges in der Welt und unserer Ruhe im Schei-
tern.
(2) Sind wir verloren, weil wir nicht mehr leibhaftig realisierend, sondern in Chif-
fern glauben? Ist die Folge das Erlöschen alles denkenden Glaubens? Der Glaube kann
eine neue Gestalt gewinnen. Es handelt sich nicht um Preisgabe des Glaubens, son-
dern seiner nicht für immer gültigen Formen und Inhalte.
Wenn die radikale Befreiung, die wir heute kennen, Freiheit selber vernichten
kann, die Folge die existentielle Eeerheit ist, dann ist vielmehr die Frage, in welcher
neuen Erfüllung wir wir selbst werden. Wenn die Entzauberung der erkennbaren Welt
das Erlöschen allen Glaubens zur Folge zu haben scheint, dann ist vielmehr die Frage,
wie der Glaube selber seine neue Gestalt gewinnt. Niemand kann sagen, wie er in der
Verbreitung unter Menschen aussehen wird.
Es zeigen sich zwei Möglichkeiten. Die Befreiung führt entweder durch den aus
Wissenschaftsaberglauben und technischer Überwältigung erwachsenden Nihilismus
in das totale Unheil der rational beherrschten Unfreiheit, oder die Befreiung führt aus
dem stets gegenwärtigen Ursprung des Menschen zur Freiheit schaffenden Selbstseins.
Was im einzelnen Menschen der höchsten Klarheit, unter Voraussetzung der Situa-
tion unseres Wissens und Könnens, möglich ist, wenn dem Anspruch der Wahrheit be-
dingungslos Folge geleistet wird, das können zunächst nur Einzelne durch ihr Denken,
ihre Eebenswirklichkeit bezeugen. Aber kein Mensch, da er jetzt und nur einmal lebt,
kann warten. Philosophie muß, trotzdem sie auf dem Wege ist, jederzeit auch schon am
Ziel sein. Sie hat ihren Sinn nicht im Gedankenwerk, sondern als Praxis und Denkungsart.
444 | (3) Was dem Einzelnen, was wenigen gelingt oder zuteil wird, das bestimmt heute
weniger als je den Gang der Dinge. Daß alle Menschen lesen und schreiben lernen, durch
die Mittel des technischen Zeitalters im Verkehr miteinander stehen, Kunde gewinnen
können, kann sie alle, und nicht nur eine winzige Minorität, teilnehmen lassen am Den-
ken, Schauen, Handeln der Besten. Die herrlichsten Werke der Vergangenheit, Dichtun-
gen und Kunstwerke, die Teistungen der Gegenwart werden allen zugänglich.
Daher genügt heute nicht, was Einzelne geistig erreichen und existentiell verwirk-
lichen. Wenn auch in ihrem Sein und Tun der Grund liegt dessen, was aus dem Men-
schen wird, so doch nur, wenn es die Massen erreicht und nicht nur im gegenseitigen
Sicherkennen einiger Freunde da ist. Jeder einzelne Mensch lebt unter den Milliarden
der Erdbevölkerung und jeder von diesen ist ein Einzelner. Was wird, geschieht durch