474
Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung
terliegt alles, was heilige Absolutheit und bedingungslose Autorität in Anspruch
nimmt, der Kritik. Ein jeder hat zu prüfen durch die eigne mögliche Existenz, was der
Prophet sagt, was durch Inspiration in die Welt tritt, was der Apostel bezeugt.
Diese Kritik ist nicht - wie Theologen uns glauben machen wollen - Kritik an Gott,
nicht törichte Vorschrift des Menschen an Gott, was er könne und nicht könne, son-
481 dern Kritik an den Instanzen in | der Welt, die die Vollmacht in Anspruch nehmen, im
Namen Gottes zu sprechen. Menschen, durch welches Amt, durch welches Glaubens-
bekenntnis auch immer, bleiben Menschen, die für uns, die wir an Offenbarung nicht
zu glauben vermögen, nur fälschlich als Gehorsam gegen Gott verlangen, was Gehor-
sam gegen ihre Positionen, gegen die Kirche, ein Menschenwerk, wäre.
Das ist kein Urteil über Gott, sondern über menschliche Ansprüche. Was im Offen-
barungsglauben zur Erscheinung kommt, ist der Konfessionsstatistik nach nur für eine
Minorität der Menschheit, und in dieser Minorität faktisch wieder doch nur für eine
zweite Minorität das Wort Gottes selber. Für uns ist es eine Welt von Chiffern, nicht
von Gottesrealitäten - ist schwebende Sprache der Transzendenz, nicht reale Hand-
lung Gottes - ist Deutbarkeit möglichen Sinns, nicht Gegenstand des Gehorsams.
Was für den Offenbarungsgläubigen Wirklichkeit ist, das ist es nicht schlechthin.
Wir sprechen nicht gegen Gott, sondern gegen den menschlichen Anspruch, Gott zu
vertreten. Wir müssen aussprechen, was für uns gilt: - negativ: es gibt keine direkte
Realität Gottes in der Welt, das heißt keinen Gott, der in der Welt durch eine ihn ver-
tretende Instanz von Amt, Wort, Sakrament spräche, dem Gehorsam durch Gehor-
sam gegen diese Ämter zu leisten wäre -, positiv: Gott hat uns geschaffen zur Freiheit
und Vernunft, in denen wir uns geschenkt werden, in beiden verantwortlich vor ei-
ner Instanz, die wir in uns selbst finden als das, was unendlich mehr ist als wir selbst
und nur indirekt spricht. - Wir deuten mit Kant: die göttliche Weisheit ist nicht min-
der bewunderungswürdig in dem, was sie uns schenkt, als in dem, was sie uns versagt;
denn würde Gott in seiner Majestät vor uns stehen, so würden wir Marionetten im
Gehorsam und blieben nicht frei als das, als was Gott uns gewollt hat.586
Wir erfahren, daß der in der Offenbarungsrealität sich zeigende Gott, am Maßstab
des verborgenen Gottes, für uns nicht Gott selbst sein kann. Nicht Gottesleugnung
wendet sich gegen Gottesglauben, sondern der verborgene Gott gegen den offenbar-
ten. Das philosophische Bewußtsein von der Wirklichkeit der Transzendenz wendet
sich gegen die Realität der Offenbarung.
b. Die Auffassung des philosophischen Glaubens vom Offenbarungsglauben her
(1) Der Vorwurf: Vom Offenbarungsglauben her gesehen kann ein philosophischer
482 Glaube gar kein Glaube an Gott sein. Bultmann | schreibt? »In der Tat, Gott ist nur ent-
weder hier oder dort richtig verstanden, und vom christlichen Glauben aus ist der hu-
manistische Gottesglaube als Irrtum, als Wahn zu bezeichnen, - sofern er Glaube an
Studium generale Jg. 1, S. 74.
Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung
terliegt alles, was heilige Absolutheit und bedingungslose Autorität in Anspruch
nimmt, der Kritik. Ein jeder hat zu prüfen durch die eigne mögliche Existenz, was der
Prophet sagt, was durch Inspiration in die Welt tritt, was der Apostel bezeugt.
Diese Kritik ist nicht - wie Theologen uns glauben machen wollen - Kritik an Gott,
nicht törichte Vorschrift des Menschen an Gott, was er könne und nicht könne, son-
481 dern Kritik an den Instanzen in | der Welt, die die Vollmacht in Anspruch nehmen, im
Namen Gottes zu sprechen. Menschen, durch welches Amt, durch welches Glaubens-
bekenntnis auch immer, bleiben Menschen, die für uns, die wir an Offenbarung nicht
zu glauben vermögen, nur fälschlich als Gehorsam gegen Gott verlangen, was Gehor-
sam gegen ihre Positionen, gegen die Kirche, ein Menschenwerk, wäre.
Das ist kein Urteil über Gott, sondern über menschliche Ansprüche. Was im Offen-
barungsglauben zur Erscheinung kommt, ist der Konfessionsstatistik nach nur für eine
Minorität der Menschheit, und in dieser Minorität faktisch wieder doch nur für eine
zweite Minorität das Wort Gottes selber. Für uns ist es eine Welt von Chiffern, nicht
von Gottesrealitäten - ist schwebende Sprache der Transzendenz, nicht reale Hand-
lung Gottes - ist Deutbarkeit möglichen Sinns, nicht Gegenstand des Gehorsams.
Was für den Offenbarungsgläubigen Wirklichkeit ist, das ist es nicht schlechthin.
Wir sprechen nicht gegen Gott, sondern gegen den menschlichen Anspruch, Gott zu
vertreten. Wir müssen aussprechen, was für uns gilt: - negativ: es gibt keine direkte
Realität Gottes in der Welt, das heißt keinen Gott, der in der Welt durch eine ihn ver-
tretende Instanz von Amt, Wort, Sakrament spräche, dem Gehorsam durch Gehor-
sam gegen diese Ämter zu leisten wäre -, positiv: Gott hat uns geschaffen zur Freiheit
und Vernunft, in denen wir uns geschenkt werden, in beiden verantwortlich vor ei-
ner Instanz, die wir in uns selbst finden als das, was unendlich mehr ist als wir selbst
und nur indirekt spricht. - Wir deuten mit Kant: die göttliche Weisheit ist nicht min-
der bewunderungswürdig in dem, was sie uns schenkt, als in dem, was sie uns versagt;
denn würde Gott in seiner Majestät vor uns stehen, so würden wir Marionetten im
Gehorsam und blieben nicht frei als das, als was Gott uns gewollt hat.586
Wir erfahren, daß der in der Offenbarungsrealität sich zeigende Gott, am Maßstab
des verborgenen Gottes, für uns nicht Gott selbst sein kann. Nicht Gottesleugnung
wendet sich gegen Gottesglauben, sondern der verborgene Gott gegen den offenbar-
ten. Das philosophische Bewußtsein von der Wirklichkeit der Transzendenz wendet
sich gegen die Realität der Offenbarung.
b. Die Auffassung des philosophischen Glaubens vom Offenbarungsglauben her
(1) Der Vorwurf: Vom Offenbarungsglauben her gesehen kann ein philosophischer
482 Glaube gar kein Glaube an Gott sein. Bultmann | schreibt? »In der Tat, Gott ist nur ent-
weder hier oder dort richtig verstanden, und vom christlichen Glauben aus ist der hu-
manistische Gottesglaube als Irrtum, als Wahn zu bezeichnen, - sofern er Glaube an
Studium generale Jg. 1, S. 74.