Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung
473
i. Die gegenseitige Auffassung von Offenbarungsglauben
und philosophischem Glauben heute
Zunächst fasse ich noch einmal zusammen, wie philosophischer Glaube und Offen-
barungsglaube über einen Abgrund hin heute zu einander sprechen.
a. Die Auffassung des Offenbarungsglaubens vom Philosophieren her
Wir unterschieden in unserer historischen Darstellung: Propheten verkündeten,
was Gott ihnen sagte - Kirchen und Priester erklärten Texte für heilig und für inspi-
riert und nahmen für sich in Anspruch, sie richtig auszulegen - Apostel bezeugten,
daß Gott in Christus auf Erden erschienen sei.
Für alle drei Weisen der Offenbarung muß eine in der Welt hinzukommende In-
stanz entscheiden: wer echter Prophet war, welche Schriften inspiriert sind, wer Apo-
stel mit gültigem Zeugnis war. Der Offenbarungsglaube muß dieser Instanz folgen.
Sonst hat er keinen Halt. Diese Instanz sind am Ende die Kirchen. Das hat Augustin
mit jener schon zitierten großartigen Eindeutigkeit ausgesprochen: Ich | würde dem 480
Evangelium keinen Glauben schenken, wenn die Autorität der katholischen Kirche
mich nicht dazu bewegte.585
Wenn aber diese Instanz nicht geglaubt wird, dann hört die Aussonderung der hei-
ligen Schriften aus dem übrigen Schrifttum auf. Dann sind sie hohes Schrifttum wie
anderes. Daran kann, was Jahrtausenden - eine wie kurze Zeit! - selbstverständlich
war, nichts ändern. Daß Schriften als kanonisch ausgesondert wurden, ist dann selber
nur eine historische Tatsache, deren Entstehung sich erforschen läßt und die ihre
Parallelen in China und Indien hat. Aber diese Schriften gewinnen durch die Ausson-
derung der kanonischen faktisch nur für den Offenbarungsgläubigen, nicht für die
übrigen Menschen einen anderen Rang.
Sie sind ihrem Gehalt nach jedoch keineswegs hinfällig für den die Offenbarung
nicht Glaubenden. Nur ist das Verhältnis zu ihnen ein anderes, freies. Denn nun sind
Propheten, Inspiration, Apostel Erscheinungsweisen eines Eintritts von Wahrheit in
die Welt. Die Erscheinungsweisen werden in den Chiffern »Prophet«, »Inspiration«,
»Apostel« aufgefaßt. Das hat zwei Folgen:
Erstens: Die Chiffer kann anklingen im Selbstverständnis des einzelnen Menschen.
So kann etwa das Bewußtsein, Werkzeug eines Umgreifenden zu sein, zu tun und zu
denken, was die Transzendenz fordert, in deren Dienst zu sein ich mich zwar nicht
weiß, aber als Möglichkeit spüre, eine Chiffer werden, die bescheiden macht. Diese
Chiffer kann wahr nur sein, wenn sie als Anspruch des Menschen an sich selbst, nicht
wenn sie zur Rechtfertigung des Anspruchs an andere auftritt. Denn nicht dadurch,
daß ich mich für ein Werkzeug halte, sondern durch das, was ich tue, was ich einsehe
und sage, habe ich zu bewähren, ob es wahr sein kann und welcher Gehalt darin liegt.
Zweitens: Was als Offenbarung auftritt, als Prophet oder als Apostel verkündet, das
kann als solches noch nichts gelten. Chiffer ist Möglichkeit, nicht Realität. Daher un-
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i. Die gegenseitige Auffassung von Offenbarungsglauben
und philosophischem Glauben heute
Zunächst fasse ich noch einmal zusammen, wie philosophischer Glaube und Offen-
barungsglaube über einen Abgrund hin heute zu einander sprechen.
a. Die Auffassung des Offenbarungsglaubens vom Philosophieren her
Wir unterschieden in unserer historischen Darstellung: Propheten verkündeten,
was Gott ihnen sagte - Kirchen und Priester erklärten Texte für heilig und für inspi-
riert und nahmen für sich in Anspruch, sie richtig auszulegen - Apostel bezeugten,
daß Gott in Christus auf Erden erschienen sei.
Für alle drei Weisen der Offenbarung muß eine in der Welt hinzukommende In-
stanz entscheiden: wer echter Prophet war, welche Schriften inspiriert sind, wer Apo-
stel mit gültigem Zeugnis war. Der Offenbarungsglaube muß dieser Instanz folgen.
Sonst hat er keinen Halt. Diese Instanz sind am Ende die Kirchen. Das hat Augustin
mit jener schon zitierten großartigen Eindeutigkeit ausgesprochen: Ich | würde dem 480
Evangelium keinen Glauben schenken, wenn die Autorität der katholischen Kirche
mich nicht dazu bewegte.585
Wenn aber diese Instanz nicht geglaubt wird, dann hört die Aussonderung der hei-
ligen Schriften aus dem übrigen Schrifttum auf. Dann sind sie hohes Schrifttum wie
anderes. Daran kann, was Jahrtausenden - eine wie kurze Zeit! - selbstverständlich
war, nichts ändern. Daß Schriften als kanonisch ausgesondert wurden, ist dann selber
nur eine historische Tatsache, deren Entstehung sich erforschen läßt und die ihre
Parallelen in China und Indien hat. Aber diese Schriften gewinnen durch die Ausson-
derung der kanonischen faktisch nur für den Offenbarungsgläubigen, nicht für die
übrigen Menschen einen anderen Rang.
Sie sind ihrem Gehalt nach jedoch keineswegs hinfällig für den die Offenbarung
nicht Glaubenden. Nur ist das Verhältnis zu ihnen ein anderes, freies. Denn nun sind
Propheten, Inspiration, Apostel Erscheinungsweisen eines Eintritts von Wahrheit in
die Welt. Die Erscheinungsweisen werden in den Chiffern »Prophet«, »Inspiration«,
»Apostel« aufgefaßt. Das hat zwei Folgen:
Erstens: Die Chiffer kann anklingen im Selbstverständnis des einzelnen Menschen.
So kann etwa das Bewußtsein, Werkzeug eines Umgreifenden zu sein, zu tun und zu
denken, was die Transzendenz fordert, in deren Dienst zu sein ich mich zwar nicht
weiß, aber als Möglichkeit spüre, eine Chiffer werden, die bescheiden macht. Diese
Chiffer kann wahr nur sein, wenn sie als Anspruch des Menschen an sich selbst, nicht
wenn sie zur Rechtfertigung des Anspruchs an andere auftritt. Denn nicht dadurch,
daß ich mich für ein Werkzeug halte, sondern durch das, was ich tue, was ich einsehe
und sage, habe ich zu bewähren, ob es wahr sein kann und welcher Gehalt darin liegt.
Zweitens: Was als Offenbarung auftritt, als Prophet oder als Apostel verkündet, das
kann als solches noch nichts gelten. Chiffer ist Möglichkeit, nicht Realität. Daher un-