Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung
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Gott sein will.«587 Ich zitiere diesen Theologen, einen der persönlich tolerantesten,
dem man am allerwenigsten den Hochmut, der bei Theologen vorkommt, zuschrei-
ben kann, um zu zeigen, daß es in der Natur der Sache, im Offenbarungsglauben sel-
ber liegt, so denken zu müssen, daß sogar ein solcher Mann davon überwältigt wird.588
Daher der ständig wiederholte Vorwurf: Das Denken der Transzendenz ist eine nur
spekulative Erfahrung. Es bleibt blaß in seiner Abstraktheit. Es ist ohnmächtig in der
bloßen Meditation. Denn es ist unwirklich, weil auf Unwirkliches gerichtet. - Wir hö-
ren weiter: Dem Offenbarungsglauben ist Gott persönlich. Er steht gegenüber als das
Du, mit dem im Gebet die Kommunikation, von Person zu Person möglich ist (wäh-
rend der philosophische Glaube die Persönlichkeit Gottes nur als Chiffer kennt des-
sen, was Ursprung der Persönlichkeit im Menschen, aber selbst unendlich mehr ist als
Persönlichkeit, deren Gestalt ihn beschränken würde). - Der offenbarte Gott hilft in
der Welt; er wirkt durch Eingriffe; er ist Ursache des mir erwünschten, heilvollen Ge-
schehens und ist mir Garantie, daß das, was für mich nur wie Unheil aussieht, doch
zum Heile ist. Seine Gnade erfahre ich in seinen Handlungen, die mir in meinem In-
neren als reale fühlbar werden (während der philosophische Glaube die Vorsehung als
Chiffer denkt, deren Deutung im einzelnen geschichtlichen Vorgang ihm rational wi-
dersinnig und widerlegbar scheint, aber doch, ohne Wißbarkeit und ohne Realisierung,
als Chiffer das sich auf drängende Geheimnis erleuchten soll). - Für den Offenbarungs-
glauben ist Gottes Offenbarungsakt das erste; nicht wir suchen Gott. Für den Offenba-
rungsglauben gilt der Satz von dem vorhergehenden Handeln Gottes im konkreten
Tun und Sichereignen (für den philosophischen Glauben gilt solcher Satz nur im gan-
zen als das Sichgeschenktwerden in einer Welt, die selber nicht das letzte, sondern Er-
scheinung oder Übergang ist). - Der Gott der Gläubigen ist konkret, nah, der leben-
dige, der biblische Gott; die Gottheit der Philosophie ist abstrakt, fern, bloß gedacht.
(2) Wir antworten: Der nahe Gott ist für endliche Wesen unerläßlich, aber nur in
Chiffern da. Diese sind ihrem Wesen nach viel|fach, daher entsteht der nahe Gott in
der Weise des Polytheismus. Dieser wird verschleiert im faktischen Offenbarungsglau-
ben, wenn auch der eine Gott dogmatisch erhalten bleibt. Für den Offenbarungsgläu-
bigen ist unbemerkt der eine Gott, wenn er nahe ist, je in besonderer Gestalt. Der Eine
selbst bleibt der ferne Gott, dessen Einssein selber eine Chiffer ist.
Die Chiffern, zur leibhaftigen Realität Gottes geworden, sind alsbald viele Götter,
daher unwahr und Gegenstand des Aberglaubens. Sie bleiben mögliche Wahrheit nur
in den Chiffern als geschichtliche Sprache des fernen Gottes.
Der ferne Gott, schon als nur gedachter, hält den Raum frei. Er befreit von den leib-
haftigen Göttern und Offenbarungen, wenn sie abergläubisch fixiert werden; er be-
freit von allen Ausschließlichkeiten, Fanatismen, gewaltsamen Akten, die in dem Glau-
ben an den zeitlich-räumlich sich selbst zeigenden Gott verborgen sind.
Der philosophische Glaube will in den nahen Göttern als Chiffern niemals den fer-
nen, allein wirklichen Gott verlieren, dann aber den fernen Gott in den nahen Chif-
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Gott sein will.«587 Ich zitiere diesen Theologen, einen der persönlich tolerantesten,
dem man am allerwenigsten den Hochmut, der bei Theologen vorkommt, zuschrei-
ben kann, um zu zeigen, daß es in der Natur der Sache, im Offenbarungsglauben sel-
ber liegt, so denken zu müssen, daß sogar ein solcher Mann davon überwältigt wird.588
Daher der ständig wiederholte Vorwurf: Das Denken der Transzendenz ist eine nur
spekulative Erfahrung. Es bleibt blaß in seiner Abstraktheit. Es ist ohnmächtig in der
bloßen Meditation. Denn es ist unwirklich, weil auf Unwirkliches gerichtet. - Wir hö-
ren weiter: Dem Offenbarungsglauben ist Gott persönlich. Er steht gegenüber als das
Du, mit dem im Gebet die Kommunikation, von Person zu Person möglich ist (wäh-
rend der philosophische Glaube die Persönlichkeit Gottes nur als Chiffer kennt des-
sen, was Ursprung der Persönlichkeit im Menschen, aber selbst unendlich mehr ist als
Persönlichkeit, deren Gestalt ihn beschränken würde). - Der offenbarte Gott hilft in
der Welt; er wirkt durch Eingriffe; er ist Ursache des mir erwünschten, heilvollen Ge-
schehens und ist mir Garantie, daß das, was für mich nur wie Unheil aussieht, doch
zum Heile ist. Seine Gnade erfahre ich in seinen Handlungen, die mir in meinem In-
neren als reale fühlbar werden (während der philosophische Glaube die Vorsehung als
Chiffer denkt, deren Deutung im einzelnen geschichtlichen Vorgang ihm rational wi-
dersinnig und widerlegbar scheint, aber doch, ohne Wißbarkeit und ohne Realisierung,
als Chiffer das sich auf drängende Geheimnis erleuchten soll). - Für den Offenbarungs-
glauben ist Gottes Offenbarungsakt das erste; nicht wir suchen Gott. Für den Offenba-
rungsglauben gilt der Satz von dem vorhergehenden Handeln Gottes im konkreten
Tun und Sichereignen (für den philosophischen Glauben gilt solcher Satz nur im gan-
zen als das Sichgeschenktwerden in einer Welt, die selber nicht das letzte, sondern Er-
scheinung oder Übergang ist). - Der Gott der Gläubigen ist konkret, nah, der leben-
dige, der biblische Gott; die Gottheit der Philosophie ist abstrakt, fern, bloß gedacht.
(2) Wir antworten: Der nahe Gott ist für endliche Wesen unerläßlich, aber nur in
Chiffern da. Diese sind ihrem Wesen nach viel|fach, daher entsteht der nahe Gott in
der Weise des Polytheismus. Dieser wird verschleiert im faktischen Offenbarungsglau-
ben, wenn auch der eine Gott dogmatisch erhalten bleibt. Für den Offenbarungsgläu-
bigen ist unbemerkt der eine Gott, wenn er nahe ist, je in besonderer Gestalt. Der Eine
selbst bleibt der ferne Gott, dessen Einssein selber eine Chiffer ist.
Die Chiffern, zur leibhaftigen Realität Gottes geworden, sind alsbald viele Götter,
daher unwahr und Gegenstand des Aberglaubens. Sie bleiben mögliche Wahrheit nur
in den Chiffern als geschichtliche Sprache des fernen Gottes.
Der ferne Gott, schon als nur gedachter, hält den Raum frei. Er befreit von den leib-
haftigen Göttern und Offenbarungen, wenn sie abergläubisch fixiert werden; er be-
freit von allen Ausschließlichkeiten, Fanatismen, gewaltsamen Akten, die in dem Glau-
ben an den zeitlich-räumlich sich selbst zeigenden Gott verborgen sind.
Der philosophische Glaube will in den nahen Göttern als Chiffern niemals den fer-
nen, allein wirklichen Gott verlieren, dann aber den fernen Gott in den nahen Chif-
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