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Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung
düng ist nicht herumzukommen. Es gibt kein Mittleres, Halbes. Glaubt er wirklich den
Gottmenschen, so ist Kierkegaards konstruierter Weg fast unausweichlich.
Aber die Verwerfung für mich ist nicht die Verwerfung an sich. Sollte Kierkegaard
eine mögliche Wahrheit getroffen haben? Dann aber nur für den, der auch die Konse-
quenzen verwirklicht.
(b) Wer sich entschieden hat, darf sagen: Ich halte den Weg, zu dem Kierkegaard
durch die Pseudonyme Johannes Climacus und Anticlimacus verleitet, für einen Irr-
weg: zum Glauben kraft des Absurden mit einem verführerisch erdachten genialen Ka-
tegoriengebäude, mit seiner Konstruktion der Nachfolge Christi im eindeutigen Sinn
totaler Weltverneinung. Dieser Weg mündet sinngemäß auch in die totale Verneinung
der Kirche, mit der er seinen Kirchenkampf und sein Leben beschloß.
Nur scheinbar läßt sich seine dialektische Theologie von seinem Kirchenkampf
trennen.
Lange vor seinem Kirchenkampf, als Kierkegaard es noch für möglich hielt, selber
Pfarrer zu werden, forderte es seine Redlichkeit, daß er den christlichen Glauben den-
kend, dichtend konstruierte als den Glauben kraft des Absurden. Er entwickelte den
dialektischen Begriffskreis, der das Unbegreifliche in seiner Unbegreiflichkeit, den
Sinn des Glaubens als den eines Absurden erbarmungslos deutlich machte. Diese Kon-
struktion ist von einer hinreißenden spekulativen Kraft, die aber selber alle überlie-
ferte Spekulation als ein fälschliches Begreiflichmachen verwirft. Es ist die raffinierte,
aber nicht unredliche Form, die Leibhaftigkeit des Gottmenschen zu retten.
517 Erst später im Kirchenkampf machte er mit gleicher Erbarmungs | losigkeit deutlich,
daß in Kirche und Christenheit eine Verkehrung des Neuen Testaments geschehe, die
eine einzige sich selber nicht durchschauende Lüge sei.
In seiner dialektischen Theologie wie im Kirchenkampf, in beiden Fällen ist Kier-
kegaards Wahrheit seine Redlichkeit. Am Maßstab, der in der Kirche selber durch ihre
Bindung an das Neue Testament scheinbar festgehalten wird, zeigt sich die Lüge der
Kirche und der Christenheit. Kierkegaard verlangt das Eingeständnis, daß es so sei.
Wenn Kierkegaard recht hätte, so wäre es das Ende des Christentums in der Welt.
Wenn der christliche Glaube das ist, als was Kierkegaard ihn konstruiert hat, dann
kann ihn vielleicht niemand mehr glauben, wie denn Kierkegaard für seine Person
diesen Glauben auch nicht in Anspruch genommen, ihn aber leidenschaftlich be-
gehrt hat.
Wenn protestantische Theologen Kierkegaardsche Begrifflichkeiten für eine mo-
derne, dieser christlich ungläubigen Zeit genugtuende Theologie genutzt haben, aber
den Sinn des Kirchenkampfes, der mit diesem Denken unlösbar verknüpft ist, als un-
brauchbar abstießen, so scheinen sie durch den existentiellen Widerspruch im Ur-
sprung ihres Denkens ihrerseits eher noch klarer das Ende des Christentums bezeugt
zu haben. Denn es ist unmöglich, das begrifflich-dialektische Denken Kierkegaards als
eine für den Menschen dieser Zeit geeignete Sprache zu nutzen. In dieser neuen theo-
Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung
düng ist nicht herumzukommen. Es gibt kein Mittleres, Halbes. Glaubt er wirklich den
Gottmenschen, so ist Kierkegaards konstruierter Weg fast unausweichlich.
Aber die Verwerfung für mich ist nicht die Verwerfung an sich. Sollte Kierkegaard
eine mögliche Wahrheit getroffen haben? Dann aber nur für den, der auch die Konse-
quenzen verwirklicht.
(b) Wer sich entschieden hat, darf sagen: Ich halte den Weg, zu dem Kierkegaard
durch die Pseudonyme Johannes Climacus und Anticlimacus verleitet, für einen Irr-
weg: zum Glauben kraft des Absurden mit einem verführerisch erdachten genialen Ka-
tegoriengebäude, mit seiner Konstruktion der Nachfolge Christi im eindeutigen Sinn
totaler Weltverneinung. Dieser Weg mündet sinngemäß auch in die totale Verneinung
der Kirche, mit der er seinen Kirchenkampf und sein Leben beschloß.
Nur scheinbar läßt sich seine dialektische Theologie von seinem Kirchenkampf
trennen.
Lange vor seinem Kirchenkampf, als Kierkegaard es noch für möglich hielt, selber
Pfarrer zu werden, forderte es seine Redlichkeit, daß er den christlichen Glauben den-
kend, dichtend konstruierte als den Glauben kraft des Absurden. Er entwickelte den
dialektischen Begriffskreis, der das Unbegreifliche in seiner Unbegreiflichkeit, den
Sinn des Glaubens als den eines Absurden erbarmungslos deutlich machte. Diese Kon-
struktion ist von einer hinreißenden spekulativen Kraft, die aber selber alle überlie-
ferte Spekulation als ein fälschliches Begreiflichmachen verwirft. Es ist die raffinierte,
aber nicht unredliche Form, die Leibhaftigkeit des Gottmenschen zu retten.
517 Erst später im Kirchenkampf machte er mit gleicher Erbarmungs | losigkeit deutlich,
daß in Kirche und Christenheit eine Verkehrung des Neuen Testaments geschehe, die
eine einzige sich selber nicht durchschauende Lüge sei.
In seiner dialektischen Theologie wie im Kirchenkampf, in beiden Fällen ist Kier-
kegaards Wahrheit seine Redlichkeit. Am Maßstab, der in der Kirche selber durch ihre
Bindung an das Neue Testament scheinbar festgehalten wird, zeigt sich die Lüge der
Kirche und der Christenheit. Kierkegaard verlangt das Eingeständnis, daß es so sei.
Wenn Kierkegaard recht hätte, so wäre es das Ende des Christentums in der Welt.
Wenn der christliche Glaube das ist, als was Kierkegaard ihn konstruiert hat, dann
kann ihn vielleicht niemand mehr glauben, wie denn Kierkegaard für seine Person
diesen Glauben auch nicht in Anspruch genommen, ihn aber leidenschaftlich be-
gehrt hat.
Wenn protestantische Theologen Kierkegaardsche Begrifflichkeiten für eine mo-
derne, dieser christlich ungläubigen Zeit genugtuende Theologie genutzt haben, aber
den Sinn des Kirchenkampfes, der mit diesem Denken unlösbar verknüpft ist, als un-
brauchbar abstießen, so scheinen sie durch den existentiellen Widerspruch im Ur-
sprung ihres Denkens ihrerseits eher noch klarer das Ende des Christentums bezeugt
zu haben. Denn es ist unmöglich, das begrifflich-dialektische Denken Kierkegaards als
eine für den Menschen dieser Zeit geeignete Sprache zu nutzen. In dieser neuen theo-