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Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]; Schwabe AG [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 13): Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung — Basel: Schwabe Verlag, 2016

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.51323#0618
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Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung

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schenkte Gnade ist, das erwartet er nicht als Willensakt von den anderen. Er zeiht sie
nicht mehr der Verstocktheit bösen Willens. Er verlangt nicht mehr, daß alle dasselbe
glauben. Wenn aber in der Überwindung der Anfechtung eine Gewaltsamkeit gegen
sich selbst durch Glaubenwollen und damit eine Unredlichkeit stattfand, dann ist, un-
berechenbar wo und wann, eine Gewaltsamkeit gegen andere die Folge. Gewaltsam-
keit ist schon der Wille zum Glauben, ist die Bereitschaft zum blinden Gehorsam ge-
genüber der gegenwärtigen heiligen Kirche, zur fides implicita.654 Von nun an wird das
Leben zur Verschlossenheit. Im Grund des eigenen Wesens zwingt sich der Verschlos-
sene, ohne sich selbst dabei durchsichtig zu sein. Er will nicht weiter denken und fra-
gen. Einen Felsen hat er dorthin gelegt, der nicht zu bewegen, kaum zu berühren ist.
Dort wird die Kommunikation zum Menschen abgebrochen durch das ganz Andere.
Wem es genügt und schon die tiefste Befriedigung gewährt, in seinem Sinne für sei-
nen Gott offen zu sein, der kann nicht mehr bedingungslos für die Kommunikation
mit Menschen offen sein. Die Überwindung der Anfechtung entrückt, so scheint es,
dem Wagnis, mit Menschen zu existieren.
Wird die Anfechtung des philosophisch Glaubenden durch die Gegenwärtigkeit
der alle Weisen des Umgreifenden verbindenden Vernunft überwunden, so wird die
Folge eine nicht passiv tolerante, sondern betroffene Neigung zu dem wirklich und
ernsthaft Offenbarungsgläubigen sein. Wenn aber in der Überwindung eine rationale
Gewaltsamkeit des Verstandes lag, dann ist die Folge eine Gewaltsamkeit dieses Ver-
standes in allen Dingen. Eine intolerante Verachtung im Schleier gleichgültiger Tole-
ranz ist eine unmenschliche Unbetroffenheit vor dem Ernst des Menschen. Sie selber
ist die Unwahr|haftigkeit, die die Vernunft im rationalen Verstand untergehen läßt.
Die für unser kommunikatives Miteinander entscheidende Frage bleibt daher: Ist
das gegenseitige Sichanerkennen möglich? Ist es möglich, daß der Offenbarungsgläu-
bige dem in seinem Sinne Ungläubigen zwar mit dem Schmerze an dem Ausbleiben
der Gnade für den Andern, doch mit uneingeschränkter Achtung vor ihm und seinem
Wege begegnet? Ist es möglich, daß der philosophisch Glaubende, zwar mit dem
Schmerze, im Offenbarungsgläubigen nicht eigentlich den Schicksalsgefährten in der
für ihn undurchdringlichen Situation des Menschen zu gewinnen, doch mit gleicher
Achtung ihm begegnet in der Bereitschaft zum immer wieder erneuerten Hören sei-
ner Erfahrung und zum Bunde für alle menschlichen Aufgaben in dieser Welt?
Können beide im Dasein Zusammenwirken, ohne unwahrhaftig zu werden, ohne
Hintergedanken?
Ursprünglich verschiedene Weisen der Lebenspraxis und des zu ihnen gehörenden
Glaubens schließen sich in der Tat aus: sie können nicht im selben Menschen verwirk-
licht werden. Sie schließen sich aber nicht aus, wenn sie durch verschiedene Menschen
in der Welt sich begegnen. Jede Geschichtlichkeit kann die andere in ihrem existenti-
ellen Ernst lieben und sich ihr in einem Übergreifenden verbunden wissen.

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