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Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]; Schwabe AG [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 13): Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung — Basel: Schwabe Verlag, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.51323#0622
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Philosophie und Offenbarungsglaube

521

| Vorwort

»Also zog Abraham herauf aus Ägypten mit seinem Weibe und mit allem, was er hatte,
und Lot auch mit ihm, ins Mittagsland. Und das Land konnte es nicht ertragen, daß
sie beieinander wohnten; denn ihre Habe war groß. Und es war immer Zank zwischen
den Hirten über Abrahams Vieh und zwischen den Hirten über Lots Vieh. Da sprach
Abraham zu Lot: >Laß doch nicht Zank sein zwischen mir und dir und zwischen mei-
nen und deinen Hirten; denn wir sind Gebrüder. Steht dir nicht alles Land offen?
Scheide dich doch von mir. Willst du zur Linken, so will ich zur Rechten; oder willst
du zur Rechten, so will ich zur Linken.< Also schied sich ein Bruder von dem andern.«655
Diese alte Geschichte von der schiedlich-friedlichen Trennung zwischen Abraham
und Lot erscheint mir immer wie ein Gleichnis für das Verhältnis, das gegenwärtig zwi-
schen Theologie und Philosophie waltet. Beide haben sich heute so | weit voneinan- 6
der entfernt, daß sie kaum noch ins Handgemenge miteinander geraten. Jede von ih-
nen besitzt ihre eigenen Weideplätze, und es gibt kaum noch Streit zwischen den
Hirten.
Wir haben uns so an diesen Zustand gewöhnt, daß er uns fast schon als normal er-
scheint. Dabei ist es keineswegs immer so gewesen. Im Gegenteil, während des weit-
aus längsten und größten Teiles der abendländischen Geistesgeschichte waren Theo-
logie und Philosophie, in Freundschaft oder Feindschaft, nahe beieinander. In der
Alten Kirche und im Mittelalter war das Band zwischen beiden so fest, daß man kaum
mit Bestimmtheit sagen konnte: Hier hört die Philosophie auf, dort fängt die Theolo-
gie an. Und auch noch in der Neuzeit - in der Aufklärung, im deutschen Idealismus,
in der Romantik, ja selbst im 19. Jahrhundert - befanden sich Theologie und Philoso-
phie im unablässigen Gespräch. Zwar wuchs die Feindschaft ständig, aber eben als
Feind hatte man sich noch gegenseitig im Auge.
Heute ist das anders. Heute gibt es kaum noch eine Auseinandersetzung der Theo-
logie mit der Philosophie. Natürlich blicken die Theologen noch ab und an zur Philo-
sophie hinüber, sie be| dienen sich auch philosophischer Begriffe und Kategorien, um 7
die christliche Botschaft auszudrücken, aber ein intensives Gespräch findet kaum noch
statt. Es wird eigentlich nur noch an zwei Stellen geführt, von Rudolf Bultmann656 und
seiner Schule speziell mit der Existenzphilosophie und von Paul Tillich657 allgemeiner
fast mit der gesamten philosophischen Überlieferung des Abendlandes.
Auf seifen der Philosophie sieht dies kaum anders aus. Auch hier gibt es ab und an
ein Gespräch über den Zaun, Fragen, Einwürfe, auch Hilfen, etwa von Heidegger,658
Weischedel,659 Gadamer660 und Kamlah661 - aber auf breiter Front wird die Auseinan-
 
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