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Philosophie und Offenbarungsglaube
Welt, aber sie kann sich nicht vermengen durch die Aufhebung von Geschichtlich-
keiten in einem Allgemeinen, das ungeschichtlich ist, etwa zu einer abstrakten Reli-
gion, einer gemeinsamen Vernunft, wie die falsche Aufklärung es sich vorstellte. An-
SA ders aber die Ausschließlichkeit, welche in der Welt die eigene Geschichtlich|keit zur
einzigen machen will, die anderen von sich ausschließt, sie daher disqualifiziert und
bekämpft, vielmehr sie zu sich ziehen und in sich selber hineinnehmen will. Die Aus-
schließlichkeit, die nicht die Geschichtlichkeit der Existenz ist, sondern der Anspruch
an andere, sich dieser einzigen ausschließlich gültigen Wahrheit anzuschließen, hat
in der Welt die bösen Folgen, die Sie so gut kennen wie ich. Es ist ein Faktum, daß
auf dem Boden der biblischen Religion - durch sie begründet - die schrecklichsten
Kämpfe um Macht geführt worden sind, schrecklich, weil sie nicht in der Helle kla-
ren Daseinskampfes geführt werden, sondern in dem Bewußtsein für Gott gegen den
Teufel, im Medium der irdischen Dinge von Stärke und Schwäche. Dadurch gewinnt
der Kampf eine Steigerung als Fanatismus, die wir aus den Religionskriegen kennen.
Es ist ein Faktum, daß solche Kriege nie auf dem Boden buddhistischen Glaubens ge-
führt sind, der trotz seiner gewaltigen Ausbreitung auch nie eine Kirche organisiert,
nie sich politisiert hat. Mag das Deborahlied,688 eines der frühesten originalen Do-
kumente des Alten Testamentes, noch so großartig sein, mag es großartig sein, wie
87 Cromwell | in seinen Kriegen mit dem Alten Testament operiert,689 mögen wir alles
anerkennen, was in diesen Zusammenhängen Menschen vermocht haben, indem
sie ihrem eigenen Tun eine Weihe gaben - sie haben durch diese Beziehung auf die
Gottheit und die Ausschließlichkeit ihres Wahrheitsanspruches etwas in die Welt ge-
bracht, was uns heute - wie mir scheint - so unerträglich ist, daß ich zu sagen wage:
in die biblische Religion ist von Anfang an - bei ihrer Einzigartigkeit und Größe und
Tiefe - für uns etwas mit hineingenommen, was als Ausschließlichkeit wie der Teufel
ist, den wir loswerden müssen.
Zahrnt
Mit allem, was Sie über die Geschichte sagen, haben Sie fraglos recht. Ich habe es auch
schon vorhin gesagt, daß der wahrhaftige Offenbarungsglaube das nur unumwunden
zugeben und mit Scham bekennen kann. Und selbstverständlich hat auch der philo-
sophische Glaube grundsätzlich die Freiheit und das Recht, den besonderen Anspruch
88 der christlichen Offenbarung zu kritisieren und zu verwerfen. Aber er | muß sich dar-
über klar sein, daß er damit das Wesen der christlichen Offenbarung und des christli-
chen Glaubens auflöst. Denn der Glaube, daß Gott sich in Jesus Christus aller Welt of-
fenbart hat, gehört hier augenscheinlich zum Glauben selbst. Ich kann nichts anderes
tun als dieses feststellen. Weder möchte ich Ihnen damit freundlich und gut zureden,
noch hoffe ich damit einen unverständlichen Satz gesagt oder gar die Kommunikation
abgebrochen zu haben.
Philosophie und Offenbarungsglaube
Welt, aber sie kann sich nicht vermengen durch die Aufhebung von Geschichtlich-
keiten in einem Allgemeinen, das ungeschichtlich ist, etwa zu einer abstrakten Reli-
gion, einer gemeinsamen Vernunft, wie die falsche Aufklärung es sich vorstellte. An-
SA ders aber die Ausschließlichkeit, welche in der Welt die eigene Geschichtlich|keit zur
einzigen machen will, die anderen von sich ausschließt, sie daher disqualifiziert und
bekämpft, vielmehr sie zu sich ziehen und in sich selber hineinnehmen will. Die Aus-
schließlichkeit, die nicht die Geschichtlichkeit der Existenz ist, sondern der Anspruch
an andere, sich dieser einzigen ausschließlich gültigen Wahrheit anzuschließen, hat
in der Welt die bösen Folgen, die Sie so gut kennen wie ich. Es ist ein Faktum, daß
auf dem Boden der biblischen Religion - durch sie begründet - die schrecklichsten
Kämpfe um Macht geführt worden sind, schrecklich, weil sie nicht in der Helle kla-
ren Daseinskampfes geführt werden, sondern in dem Bewußtsein für Gott gegen den
Teufel, im Medium der irdischen Dinge von Stärke und Schwäche. Dadurch gewinnt
der Kampf eine Steigerung als Fanatismus, die wir aus den Religionskriegen kennen.
Es ist ein Faktum, daß solche Kriege nie auf dem Boden buddhistischen Glaubens ge-
führt sind, der trotz seiner gewaltigen Ausbreitung auch nie eine Kirche organisiert,
nie sich politisiert hat. Mag das Deborahlied,688 eines der frühesten originalen Do-
kumente des Alten Testamentes, noch so großartig sein, mag es großartig sein, wie
87 Cromwell | in seinen Kriegen mit dem Alten Testament operiert,689 mögen wir alles
anerkennen, was in diesen Zusammenhängen Menschen vermocht haben, indem
sie ihrem eigenen Tun eine Weihe gaben - sie haben durch diese Beziehung auf die
Gottheit und die Ausschließlichkeit ihres Wahrheitsanspruches etwas in die Welt ge-
bracht, was uns heute - wie mir scheint - so unerträglich ist, daß ich zu sagen wage:
in die biblische Religion ist von Anfang an - bei ihrer Einzigartigkeit und Größe und
Tiefe - für uns etwas mit hineingenommen, was als Ausschließlichkeit wie der Teufel
ist, den wir loswerden müssen.
Zahrnt
Mit allem, was Sie über die Geschichte sagen, haben Sie fraglos recht. Ich habe es auch
schon vorhin gesagt, daß der wahrhaftige Offenbarungsglaube das nur unumwunden
zugeben und mit Scham bekennen kann. Und selbstverständlich hat auch der philo-
sophische Glaube grundsätzlich die Freiheit und das Recht, den besonderen Anspruch
88 der christlichen Offenbarung zu kritisieren und zu verwerfen. Aber er | muß sich dar-
über klar sein, daß er damit das Wesen der christlichen Offenbarung und des christli-
chen Glaubens auflöst. Denn der Glaube, daß Gott sich in Jesus Christus aller Welt of-
fenbart hat, gehört hier augenscheinlich zum Glauben selbst. Ich kann nichts anderes
tun als dieses feststellen. Weder möchte ich Ihnen damit freundlich und gut zureden,
noch hoffe ich damit einen unverständlichen Satz gesagt oder gar die Kommunikation
abgebrochen zu haben.