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II Stellenkommentar
Im Jahr 1871 notierte N. die unmittelbar aufeinanderfolgenden Titelentwürfe:
Die Oper und die griechische
Tragoedie.
Die Geburt der Tragoedie
aus der Musik.
Mit einem Vorwort an
Richard Wagner.
Von
F. N.
Die
Geburt der Tragoedie
aus dem
Geiste der Musik.
Von
Dr. Friedrich Nietzsche
ord. Prof, der klass. Phil, an der Universität Basel.
(NL 1871, KSA 7, 9[1], 9[2], 9[3], 269, 1-15).
Der für die Erstauflage gewählte Titel Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste
der Musik geht, wie schon im Überblickskommentar erwähnt, in allen Bestand-
teilen auf Wagner zurück. Wagner benutzte immer wieder die Formel „Geist der
Musik“. Die Vorstellung des „Gebärens“ und der „Geburt“ gehörte zu seinen
bevorzugten Metaphern (vgl. charakteristische Belege im Kommentar zu 49, 6).
Vor allem in seiner von N. in mehreren Briefen gerühmten Schrift Oper und
Drama brachte er sie zur Geltung. Sogar den in diesem Vorstellungsbereich
von Wagner verwendeten Ausdruck „Mutterschooss“ übernimmt N. (62, 9);
weiterhin spricht er wagnerisierend vom „Geburtsschoosse der Musik“ (83, 24;
152, 34) und betont resümierend, daß „das tragische Kunstwerk der Griechen
wirklich aus dem Geiste der Musik herausgeboren ist“ (109, 24 f.). Den „Geist
der Musik“ beschwor Wagner mehrmals in seiner Schrift Beethoven (GSD IX,
80, 102, 125). Auf diese bezieht sich N. schon im Vorwort an Richard Wagner,
das er der Erstauflage seiner Tragödienschrift voranstellte („Ihre herrliche Fest-
schrift über Beethoven“; 23, 19). Und wie für Wagner diente ihm dieser „Geist
der Musik“ als Medium der Opposition gegen den Ungeist der zeitgenössischen
„Civilisation“. Eine gemeinsame Quelle Wagners und N.s für die idealistisch
imprägnierte Rede vom „Geiste der Musik“ ist Schillers Vorrede zur Braut von
Messina: Über den Gebrauch des Chors in der Tragödie. In ihr heißt es: „Die
Tragödie der Griechen ist, wie man weiß, aus dem Chor entsprungen. Aber so
 
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