Stellenkommentar GT 23-25, KSA 1, S. 152 405
10-12). Da sich die Vorstellung des Spiels mit derjenigen des Kindes verbinden
ließ, assoziiert N. alsbald Heraklits Fragment vom spielenden Weltkind (vgl.
153, 14-17). Diese Assoziation, die von einer phantasievollen Analogisierung
ausgeht, dient ihm dazu, Schillers ästhetische Kategorie des Spiels in eine
ontologische Dimension zu übertragen. So versucht er dem Zentralsatz der
Tragödienschrift, den er in diesem Zusammenhang wieder aufnimmt („dass
nur als ein aesthetisches Phänomen das Dasein und die Welt gerechtfertigt
erscheint“, 152, 19 f.), eine fundamentale Begründung zu verleihen.
152, 24 Dieses schwer zu fassende Urphänomen] Den Begriff „Urphänomen“
hatte Goethe in verschiedenen Texten verwendet, mit definitorischer Prägnanz
in der Farbenlehre. N. exponiert ihn, entsprechend seiner in GT generell ausge-
prägten Vorliebe für Wortverbindungen mit „Ur-“, archaisierend, ontologisie-
rend sowie mit der Absicht, Erlebnisformen im Elementarbereich zu verankern.
Vgl. im näheren Kontext von GT 24: „Urbild“ (150, 25), „Urlust“ (152, 33; 153,
14); den Begriff „Urphänomen“ verwendet N. schon früher in GT (60, 24; 61,
10 f.).
152, 26-33 in der wunderbaren Bedeutung der musikalischen Disso-
nanz [...] Die Lust, die der tragische Mythus erzeugt, hat eine gleiche Heimat,
wie die lustvolle Empfindung der Dissonanz in der Musik. Das Dionysische, mit
seiner selbst am Schmerz percipirten Urlust] In der Vorstufe notierte N. noch
folgende Ansätze: „Musik: welche, in einer sehr entwickelten Form der Musik
das nothwendige Ingrediens fast jedes musikalischen Momentes ist. - man
muß aber der Bedeutung der Dissonanz in der Musik nachgehen, um in ihr
das eigentlich idealistische Princip, in gleicher Weise Ursache der Melodie und
der Harmonie-deren eigentliche Bestimmung die fortwährende Erzeu-
gung der Urlust und gleichzeitige Vernichtung dieser Urlust, ohne deren Zau-
ber die Melodie-“ (KSA 14, 58). Zur metaphorischen Verwendung der
„Dissonanz“ im Hinblick auf Schopenhauer vgl. NK 155, 4-8.
N.s Ausdeutung der musikalischen Dissonanz ist präformiert durch die
Philosophie Heraklits, den er anschließend zitiert (vgl. den folgenden Stellen-
kommentar zu 153, 11-17). Heraklit begriff im Rahmen seiner Lehre von der
Einheit der Gegensätze das Disharmonische (Dissonante) und sich Widerstrei-
tende als Voraussetzung einer umso schöneren Harmonie. Insofern führt
gerade das Disharmonische zur Wahrnehmung der All-Einheit des Seins als
einer concordia discors. Eines von den Fragmenten, die dieser Lehre gelten,
überliefert Aristoteles in der Nikomachischen Ethik (1155 b 4f.; Diels-Kranz 22
B 8): TÖ ävTi^ovv oupcpcpov Kai ek tcüv öiacpspövTtüv KaÄÄiaTriv äppoviav („Das
Widerstreitende zusammenstimmend und aus dem Getrennten die schönste
Harmonie“). Hölderlin, N.s erklärter Lieblingsdichter, läßt seinen Roman
10-12). Da sich die Vorstellung des Spiels mit derjenigen des Kindes verbinden
ließ, assoziiert N. alsbald Heraklits Fragment vom spielenden Weltkind (vgl.
153, 14-17). Diese Assoziation, die von einer phantasievollen Analogisierung
ausgeht, dient ihm dazu, Schillers ästhetische Kategorie des Spiels in eine
ontologische Dimension zu übertragen. So versucht er dem Zentralsatz der
Tragödienschrift, den er in diesem Zusammenhang wieder aufnimmt („dass
nur als ein aesthetisches Phänomen das Dasein und die Welt gerechtfertigt
erscheint“, 152, 19 f.), eine fundamentale Begründung zu verleihen.
152, 24 Dieses schwer zu fassende Urphänomen] Den Begriff „Urphänomen“
hatte Goethe in verschiedenen Texten verwendet, mit definitorischer Prägnanz
in der Farbenlehre. N. exponiert ihn, entsprechend seiner in GT generell ausge-
prägten Vorliebe für Wortverbindungen mit „Ur-“, archaisierend, ontologisie-
rend sowie mit der Absicht, Erlebnisformen im Elementarbereich zu verankern.
Vgl. im näheren Kontext von GT 24: „Urbild“ (150, 25), „Urlust“ (152, 33; 153,
14); den Begriff „Urphänomen“ verwendet N. schon früher in GT (60, 24; 61,
10 f.).
152, 26-33 in der wunderbaren Bedeutung der musikalischen Disso-
nanz [...] Die Lust, die der tragische Mythus erzeugt, hat eine gleiche Heimat,
wie die lustvolle Empfindung der Dissonanz in der Musik. Das Dionysische, mit
seiner selbst am Schmerz percipirten Urlust] In der Vorstufe notierte N. noch
folgende Ansätze: „Musik: welche, in einer sehr entwickelten Form der Musik
das nothwendige Ingrediens fast jedes musikalischen Momentes ist. - man
muß aber der Bedeutung der Dissonanz in der Musik nachgehen, um in ihr
das eigentlich idealistische Princip, in gleicher Weise Ursache der Melodie und
der Harmonie-deren eigentliche Bestimmung die fortwährende Erzeu-
gung der Urlust und gleichzeitige Vernichtung dieser Urlust, ohne deren Zau-
ber die Melodie-“ (KSA 14, 58). Zur metaphorischen Verwendung der
„Dissonanz“ im Hinblick auf Schopenhauer vgl. NK 155, 4-8.
N.s Ausdeutung der musikalischen Dissonanz ist präformiert durch die
Philosophie Heraklits, den er anschließend zitiert (vgl. den folgenden Stellen-
kommentar zu 153, 11-17). Heraklit begriff im Rahmen seiner Lehre von der
Einheit der Gegensätze das Disharmonische (Dissonante) und sich Widerstrei-
tende als Voraussetzung einer umso schöneren Harmonie. Insofern führt
gerade das Disharmonische zur Wahrnehmung der All-Einheit des Seins als
einer concordia discors. Eines von den Fragmenten, die dieser Lehre gelten,
überliefert Aristoteles in der Nikomachischen Ethik (1155 b 4f.; Diels-Kranz 22
B 8): TÖ ävTi^ovv oupcpcpov Kai ek tcüv öiacpspövTtüv KaÄÄiaTriv äppoviav („Das
Widerstreitende zusammenstimmend und aus dem Getrennten die schönste
Harmonie“). Hölderlin, N.s erklärter Lieblingsdichter, läßt seinen Roman