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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,1): Kommentar zu Nietzsches "Der Fall Wagner", "Götzen-Dämmerung" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.70913#0024
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Überblickskommentar 5

ich argwöhne, fast ungedacht auf diesem Bereiche von Wahrheiten." (Ebd.,
Z. 13 f.) Höchste Zeit also, dass man es denkt und ausspricht. Darauf folgt eine
längere Auslassung zu Wagner und Charles Baudelaire, die als Repräsentanten
der decadence zutiefst verwandte Geister gewesen seien. Auch in seinem Brief
vom 08. 03. 1888 (KGB III 6, Nr. 528, S. 173 f.) bleibt Köselitz beim Wagner-
Thema, was N. sehr lobend vermerkt (KSB 8, Nr. 1007, S. 275, Z. 7-15). Am
20. 04. 1888 verrät wiederum ein Brief an Köselitz, dass N. mit einem neuen
Werk beschäftigt ist, dessen Inhalt freilich noch recht unbestimmt klingt: „ein
kleines Pamphlet über Musik beschäftigt meine Finger" (KSB 8, Nr. 1022,
S. 298, Z. 29 f.). Ansonsten ist von diesem „Pamphlet" in N.s Briefen erst wieder
die Rede, als er dem Verleger Naumann am 26. 06. 1888 das (erste) Druckma-
nuskript mit der Bemerkung übersandte: „es giebt Etwas zu drucken. Wenn es
Ihnen convenirt, wollen wir diese kleine Sache ungesäumt in Angriff nehmen.
Es ist bloß eine Broschüre, aber sie soll so ästhetisch wie möglich aus-
sehn. Sie betrifft Fragen der Kunst: folglich dürfen wir uns mit unserm
Geschmack nicht bloßstellen." (KSB 8, Nr. 1052, S. 342, Z. 4-8) Freilich hat
sich — wie der Text von WA dann zeigen wird — N.s Erbitterung gegenüber
Wagner keineswegs nur an ästhetischen, sondern auch an weltanschaulichen
Fragen entzündet, die insbesondere das Verhältnis zum Christentum betreffen.
Diese Thematik ist nicht nur in früheren Werken N.s präsent, sondern auch
im Briefwechsel. Auf die Parsifal-Nachklänge, eine Schrift seines Schwagers
Bernhard Förster (1883 u. 1886) reagierte N. in einem Briefentwurf von Ende
Dezember 1887 an seine Schwester unumwunden deutlich: „Willst Du einen
Katalog der Gesinnungen die ich als antipodisch empfinde? Du findest sie ganz
hübsch bei einander in den ,Nachklängen zum P(arsifal)' Deines Gatten; als
ich sie las, ging mir als haarsträubende Idee auf, daß Du nichts, nichts von
meiner Krankheit begriffen hast, ebenso wenig als mein schmerzhaftestes und
überraschendstes Erlebniß — daß der Mann, den ich am meisten verehrt hatte,
in einer ekelhaften Entartung gradwegs in das überging, was ich immer am
meisten verachtet hatte, in den Schwindel mit moralischen und christlichen
Idealen." (KSB 8, Nr. 968, S. 218, Z. 15-24, siehe hierzu auch Ferrari Zumbini
2003, 439 f.).
Über den eigentlichen Schaffensprozess zwischen April und Ende Juni ver-
raten N.s Briefe kaum etwas. Nicht ganz ohne Belang ist der Umstand, dass N.
mit der Übersendung des Manuskripts an Naumann vorschlug, beim Druck
„vor Allem den Versuch mit deutschen Lettern" (KSB 8, Nr. 1052, S. 342,
Z. 11 f.), also mit dem Fraktur-Satz zu machen. Bislang hatte sich N. beim Druck
seiner Werke stets des damals in deutscher Sprache vor allem für wissenschaft-
liche Texte üblichen Antiqua-Satzes bedient, um einerseits seine Internationa-
lität — die Fraktur war drucktechnisch eine deutsche Spezialität, während die
 
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