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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,1): Kommentar zu Nietzsches "Der Fall Wagner", "Götzen-Dämmerung" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.70913#0030
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Überblickskommentar 11

3 Quellen
Natürlich war N. über Wagner und sein Werk durch seine langjährige persönli-
che Beziehung zum Komponisten bei der Niederschrift von WA umfassend
unterrichtet. Entsprechend virtuos konnte er mit Wagner-Texten und -Themen
umgehen — im Übrigen auch mit seinen einschlägigen früheren Auslassun-
gen —, nicht ohne aber gelegentlich auch in Wagner-Sekundärliteratur zu blät-
tern wie beispielsweise in der Wagner-Biographie von Richard Pohl (1883a),
die N. in einer Hotelbibliothek aufgestöbert hatte (vgl. N. an Köselitz, 20. 06.
1888, KSB 8, Nr. 1049, S. 338). Auch das in seiner Bibliothek erhaltene Wagner-
Lexikon von Carl Friedrich Glasenapp und Heinrich von Stein (1883) könnte
ihm den einen oder anderen Findedienst erwiesen haben.
Nun war N. keineswegs der erste, der Wagner heftiger Kritik unterzog und
sein Werk für das Symptom eines allgemeinen kulturellen Niedergangs hielt,
der früh schon mit einer allgemeinen Nervenzerrüttung assoziiert wurde.
Anlässlich der skandalösen Pariser Tannhäuser-Aufführung war 1861 im Journal
amüsant eine Parodie Tanne-aux-airs unter dem Namen eines gewissen Herrn
„Vagues-Nerfs" erschienen (Tappert 1877, 37). 1873 hatte der Mediziner Theodor
Puschmann in seiner Untersuchung Richard Wagner. Eine psychiatrische Studie
die Wagner-Begeisterung als epidemischen Wahnsinn abqualifiziert und dafür
bei Wagner-kritischen Lesern einige Anerkennung gefunden — was wiederum
N. zu seinem Neujahrswort an den Herausgeber der Wochenschrift „Im neuen
Reich" (KSA 1, 793-797) motivierte, in dem er sich als Verteidiger Wagners
gegen dessen Psychopathologisierung zu profilieren trachtete (zu Puschmann
siehe auch Kennaway 2004/05, 89-91 sowie Moore 2008, 318, der jenen neben
Bourget und Hanslick als Hauptquelle für N.s Psychiatrisierung Wagners
benennt).
Auch namhafte Musikkritiker, die Wagner zunächst gewogen waren, wand-
ten sich bald entschieden von ihm ab. Besonders zu nennen ist Eduard Hans-
lick, den Wagner als seinen Intimfeind betrachtete und der in der Neuen freien
Presse am 05. 11. 1888 dann sogar WA wohlwollend rezensieren sollte (KGB III
7/3, 2, S. 1036-1038). Hanslick hatte gerade die (pseudo-)religiösen Aspekte
der Bayreuther Wagner-Verehrung gegeißelt. Dem Bayreuther Wagner-Kult
stand auch der Schriftsteller Paul Lindau, der sich zu Wagners Musik ursprüng-
lich durchaus zustimmend geäußert hatte, befremdet gegenüber. Seine Wag-
ner-Beiträge fanden durch Übersetzungen in Frankreich eine gewisse Aufmerk-
samkeit. Motive von Hanslick und Lindau sind in WA präsent, ohne dass N.
deshalb notwendigerweise deren Schriften studiert haben müsste.
Die Verbreitung von Pro- und Contra-Wagner-Argumenten erfolgte über Zei-
tungen und Zeitschriften damals bereits flächendeckend, ohne dass sich ein
 
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