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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,1): Kommentar zu Nietzsches "Der Fall Wagner", "Götzen-Dämmerung" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.70913#0053
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34 Der Fall Wagner

250, 7-14 (korrigiert nach KGW IX 8, W II 5, 149, 8-16): „Ich habe mich gefragt,
ob man nicht alle diese obersten Werthe der bisherigen Philosophie Moral und
Religion mit den Werthen der Geschwächten, Geisteskranken und [...]
Neurastheniker vergleichen kann: sie stellen, in einer milderen Form(,) die-
selben Übel dar... / der Werth aller morbiden Zustände ist, daß sie in einem
Vergrößerungsglas gewisse Zustände, die normal aber als normal schlecht
sichtbar sind, zeigen..." Die Auseinandersetzung mit Wagner wächst sich in
N.s Sicht zu einer Angelegenheit von welthistorischer Tragweite aus.
12, 3 Wille zum Ende] Vgl. NK KSA 6, 176, 9 f. Diese griffige Wendung, die den
Nihilismus charakterisiert, findet sich erstmals in FW Vorrede 2, KSA 3, 349, 6
(1887); sie kehrt wieder in AC 9, KSA 6, 176, 9; EH M 2, KSA 6, 331, 13 (wonach
der „Wille zum Ende" als „Moral an sich" zu gelten begonnen habe) und
EH Warum ich ein Schicksal bin 7, KSA 6, 372, 31 f. (dort im Horizont der
„Entselbstungs-Moral"). Zur Genealogie der Moral vermerkt EH GM, KSA 6, 352,
26-353, 9: „Die dritte Abhandlung giebt die Antwort auf die Frage, woher die
ungeheure Macht des asketischen Ideals, des Priester-Ideals, stammt, obwohl
dasselbe das schädliche Ideal par excellence, ein Wille zum Ende, ein deca-
dence-Ideal ist. Antwort: [...] weil es das einzige Ideal bisher war, weil es kei-
nen Concurrenten hatte. ,Denn der Mensch will lieber noch das Nichts wollen
als nicht wollen'." In NW Wir Antipoden, KSA 6, 426, 33-427, 2 sieht N.
„Kunst" und „Moral" vom selben Übel gezeichnet, nämlich von „,Selbstlosig-
keit' — das decadence-Princip, der Wille zum Ende in der Kunst sowohl wie in
der Moral."
12, 9-11 das Auge Zarathustra's, ein Auge, das die ganze Thatsache
Mensch aus ungeheurer Ferne übersieht, — unter sich sieht] In Also sprach
Zarathustra kommt dem Auge als Medium des Erkennens eine wichtige meta-
phorische Valenz zu. Den Menschen weiß N.s Kunstfigur Zarathustra mit sei-
nem „Auge" nicht viel abzugewinnen, wie er gegenüber seinen „Jüngern"
äußert: „Diess ist meinem Auge das Fürchterliche, dass ich den Menschen zer-
trümmert finde und zerstreuet wie über ein Schlacht- und Schlächterfeld hin. /
Und flüchtet mein Auge vom Jetzt zum Ehemals: es findet immer das Gleiche:
Bruchstücke und Gliedmaassen und grause Zufälle — aber keine Menschen!"
(ZA II Von der Erlösung, KSA 4, 178, 31-179, 2. N. nimmt hier Formulierungen
aus der sogenannten Scheltrede auf die Deutschen in Friedrich Hölderlin:
Hyperion II 1 auf, die ebenfalls mit dem Refrain „aber keine Menschen" endet.)
In 12, 9-11 stellt N., sich hinter dem „Auge Zarathustra's" verbergend, demge-
genüber eine höhere Lebensform in Aussicht. Diese nicht explizit gemachte
Lebensform wäre eine übermenschliche, vgl. z. B. AC 4, KSA 6, 171, 13.
12, 16 Nicht dass ich gegen diese Krankheit undankbar sein möchte.] Auch
wenn N. in NL 1888, KSA 13, 14[65], 250, 15 (korrigiert nach KGW IX 8, W II 5,
 
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