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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,1): Kommentar zu Nietzsches "Der Fall Wagner", "Götzen-Dämmerung" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.70913#0060
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Stellenkommentar WA 1, KSA 6, S. 13 41

hat Teatro Carignano geschlossen, natürlich mit Carmen: es hat davon
2 Monate gelebt. Dem Publikum wurden 3 andre Opern angeboten: es wies sie
der Reihe nach ab. Die Zahl der Vorstellungen war für mich erstaunlich: man
hat mehrmals drei Abende hintereinander das Werk vorgeführt. Am Schluß
sehr respektable Geschenke an den maestro [Leopoldo] Mugnone, goldne
Remontoir-Uhr und dergl." (KSB 8, Nr. 1037, S. 319, Z. 6-12) Interessant ist hier
wiederum der Kontext von N.s Bericht: Unmittelbar vorher hatte er darüber
berichtet, dass man in Paris „toll vor Begeisterung" (ebd., Z. 3) für Johann
Sebastian Bachs Matthäus-Passion sei. Auch hier steht die Bizet-Reverenz in
einem polemischen Bezug.
13, 9-13 Und wirklich schien ich mir jedes Mal, dass ich Carmen hörte, mehr
Philosoph, ein besserer Philosoph, als ich sonst mir scheine: so langmüthig
geworden, so glücklich, so indisch, so sesshaft... Fünf Stunden Sitzen: erste
Etappe der Heiligkeit!] Die „indischen Heiligen", denen N. in seinen Lektüren
begegnet ist, zeichnen sich durch besondere asketische Virtuosität, entspre-
chend durch fast unbeschränktes Sitzvermögen aus, wie N. hier ironisch glos-
siert. Im Unterschied zum christlichen Heiligen ist bei N. der „indische Heilige"
schon früh mit einem dezidierten Erkenntnisinteresse assoziiert: „Ebenfalls
habe ich abgesehen von den indischen Heiligen, welche auf einer Zwischen-
stufe zwischen dem christlichen Heiligen und dem griechischen Philosophen
stehen und insofern keinen reinen Typus darstellen: die Erkenntniss, die Wis-
senschaft — soweit es eine solche gab —, die Erhebung über die anderen Men-
schen durch die logische Zucht und Schulung des Denkens wurde bei den
Buddhaisten als ein Kennzeichen der Heiligkeit ebenso gefordert, wie die sel-
ben Eigenschaften in der christlichen Welt, als Kennzeichen der Unheiligkeit,
abgelehnt und verketzert werden." (MA I 144, KSA 2, 140, 12-22) In AC 20 bis
23 (KSA 6, 186-190) arbeitet N. auf dem Hintergrund von Hermann Oldenbergs
Buddha (1881) heraus, wie das indische Heiligkeitsideal nicht an Sünde, son-
dern an Leidensbewältigung interessiert ist.
13, 14 Orchesterklang] Der Ausdruck kommt bei N. nur in diesem Abschnitt
(auch in 13, 15 sowie 13, 19) sowie in NL 1887, KSA 12, 10[25], 470, 10 (KGW
IX 6, W II 2, 121, 23 f.) vor. Dort ist die Kritik an bestimmten musikalischen
Entwicklungen eingebunden in eine allgemeine Dekadenzdiagnose: „that-
sächlich giebt es einen Cultus der Ausschweifung des Ge-
fühls(.) Wie kommt es, daß die starken Zeiten ein umgekehrtes Bedürfniß in
der Kunst haben — nach einem Jenseits der Leidensch(aft?) / die Farben, die
Harmonie, die nervöse Brutalität des Orchester-Klangs; die schreienden Farben
im Roman / die Bevorzugung der aufregenden Stoffe (Erotica oder Socialis-
tica oder Pathologica: alles Zeichen, für wen heute gearbeitet wird, für Über-
 
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