54 Der Fall Wagner
16, 22 Was für eine kluge Klapperschlange!] Vgl. NK 22, 22-24. M 193, KSA 3,
166, 30 f. kennt schon „eine Angst und Lust, wie das Vöglein vor der Klapper-
schlange". Za II Von der Menschen-Klugheit, KSA 4, 185, 6-13 bekundet: „Ich
bin selig, die Wunder zu sehn, welche heisse Sonne ausbrütet: Tiger und Pal-
men und Klapperschlangen. / Auch unter Menschen giebt es schöne Brut heis-
ser Sonne und viel Wunderwürdiges an den Bösen. / Zwar, wie eure Weisesten
mir nicht gar so weise erschienen: so fand ich auch der Menschen Bosheit
unter ihrem Rufe. / Und oft fragte ich mit Kopfschütteln: Warum noch klap-
pern, ihr Klapperschlangen?" Menschliche Klapperschlangen gibt es also auch
schon hier. Im Wagner-Kontext erinnert die Klapperschlange an die Schlange
im Paradies (Genesis 3) und an das Klappern auf der Bühne, Wagners Theatra-
lität.
16, 22-25 Das ganze Leben hat sie uns von „Hingebung", von „Treue", von
„Reinheit" vorgeklappert, mit einem Lobe auf die Keuschheit zog sie sich aus
der verderbten Welt zurück!] Was N. hier als pseudochristliches Tugend-
Brimborium der Lächerlichkeit, als Inbegriff falsch verstandener asketischer
Ideale preisgibt, hat in UB IV WB 2, KSA 1, 435-439 noch seine Wertschätzung
genossen. Vgl. auch NK 34, 32-35, 2.
16, 29 f. Das Problem der Erlösung ist selbst ein ehrwürdiges Problem.] Dies
bedeutet freilich nicht, dass N. das Bedürfnis nach Erlösung für ein universelles
Bedürfnis gehalten hätte. Vielmehr ist es für ihn „der Inbegriff aller christlichen
Bedürfnisse" (51, 34-52, 1). Schon in MA I 135 beruht das mit dem Christentum
assoziierte „Bedürfniss der Erlösung" auf einer „falsche[n] Psychologie", auf
einer „Verirrung der Vernunft" (KSA 2, 129, 25-29). Die universalistische Gegen-
position konnte N. etwa bei Caspari 1877, 2, 459 f. finden, der von der „unaus-
löschlichen Vorstellung von der Erlösung" spricht: „Erlösen wollte der tief
fühlende, sittlich ringende Geist sich und die Menschheit, /460/ befreien und
erretten wollte er sich von der Gewalt jener Unvollkommenheiten, die ihn als
Fluch der bösen That fortdauernd von Bösem zu Bösem zu treiben schien. So,
sehen wir, mußte unter allen Völkern, die in ihrer innern Gefühlsentwickelung
nach dem Erhabenen und ästhetisch Vollkommenen strebten, in dem wirren
Getriebe des Lebens geschichtlich nothwendig die Idee der Erlösung erwa-
chen." Einschlägige Stellen zu „Erlösung" und „Erlöser" aus Wagners Werken
sind zusammengestellt im Wagner-Lexikon von Carl Friedrich Glasenapp und
Heinrich von Stein (Glasenapp / Stein 1883, 155 f.).
17, 1 Leitmotiv] Der Begriff des Leitmotivs zur Kennzeichnung von musikali-
schen Motiven, die bestimmte Personen, Situationen, Empfindungen, Ideen
oder Gegenstände charakterisieren und bei Wiederholung Erinnerungen evo-
zieren sollen, stammt nicht von Wagner selbst. Entgegen den landläufigen lexi-
16, 22 Was für eine kluge Klapperschlange!] Vgl. NK 22, 22-24. M 193, KSA 3,
166, 30 f. kennt schon „eine Angst und Lust, wie das Vöglein vor der Klapper-
schlange". Za II Von der Menschen-Klugheit, KSA 4, 185, 6-13 bekundet: „Ich
bin selig, die Wunder zu sehn, welche heisse Sonne ausbrütet: Tiger und Pal-
men und Klapperschlangen. / Auch unter Menschen giebt es schöne Brut heis-
ser Sonne und viel Wunderwürdiges an den Bösen. / Zwar, wie eure Weisesten
mir nicht gar so weise erschienen: so fand ich auch der Menschen Bosheit
unter ihrem Rufe. / Und oft fragte ich mit Kopfschütteln: Warum noch klap-
pern, ihr Klapperschlangen?" Menschliche Klapperschlangen gibt es also auch
schon hier. Im Wagner-Kontext erinnert die Klapperschlange an die Schlange
im Paradies (Genesis 3) und an das Klappern auf der Bühne, Wagners Theatra-
lität.
16, 22-25 Das ganze Leben hat sie uns von „Hingebung", von „Treue", von
„Reinheit" vorgeklappert, mit einem Lobe auf die Keuschheit zog sie sich aus
der verderbten Welt zurück!] Was N. hier als pseudochristliches Tugend-
Brimborium der Lächerlichkeit, als Inbegriff falsch verstandener asketischer
Ideale preisgibt, hat in UB IV WB 2, KSA 1, 435-439 noch seine Wertschätzung
genossen. Vgl. auch NK 34, 32-35, 2.
16, 29 f. Das Problem der Erlösung ist selbst ein ehrwürdiges Problem.] Dies
bedeutet freilich nicht, dass N. das Bedürfnis nach Erlösung für ein universelles
Bedürfnis gehalten hätte. Vielmehr ist es für ihn „der Inbegriff aller christlichen
Bedürfnisse" (51, 34-52, 1). Schon in MA I 135 beruht das mit dem Christentum
assoziierte „Bedürfniss der Erlösung" auf einer „falsche[n] Psychologie", auf
einer „Verirrung der Vernunft" (KSA 2, 129, 25-29). Die universalistische Gegen-
position konnte N. etwa bei Caspari 1877, 2, 459 f. finden, der von der „unaus-
löschlichen Vorstellung von der Erlösung" spricht: „Erlösen wollte der tief
fühlende, sittlich ringende Geist sich und die Menschheit, /460/ befreien und
erretten wollte er sich von der Gewalt jener Unvollkommenheiten, die ihn als
Fluch der bösen That fortdauernd von Bösem zu Bösem zu treiben schien. So,
sehen wir, mußte unter allen Völkern, die in ihrer innern Gefühlsentwickelung
nach dem Erhabenen und ästhetisch Vollkommenen strebten, in dem wirren
Getriebe des Lebens geschichtlich nothwendig die Idee der Erlösung erwa-
chen." Einschlägige Stellen zu „Erlösung" und „Erlöser" aus Wagners Werken
sind zusammengestellt im Wagner-Lexikon von Carl Friedrich Glasenapp und
Heinrich von Stein (Glasenapp / Stein 1883, 155 f.).
17, 1 Leitmotiv] Der Begriff des Leitmotivs zur Kennzeichnung von musikali-
schen Motiven, die bestimmte Personen, Situationen, Empfindungen, Ideen
oder Gegenstände charakterisieren und bei Wiederholung Erinnerungen evo-
zieren sollen, stammt nicht von Wagner selbst. Entgegen den landläufigen lexi-