60 Der Fall Wagner
und diese dem freien Helden Siegfried als seinem Nachfolger überlässt, glaubt
zunächst noch (bis zu Beginn des 3. Aktes von Siegfried), dass dieser seinen
eigenen Plänen folgen würde: Als Wotan dann aber Siegfried tatsächlich zum
ersten Mal begegnet, muss er einsehen, dass dieser keineswegs seines Rates
bedarf — Siegfried hat für den alten Mann nur Spott übrig, wonach der zutiefst
gekränkte Wotan sich ihm noch einmal in den Weg stellen will, jedoch von
Siegfried einfach zur Seite gestoßen wird und schließlich endgültig von der
Bühne verschwinden muss.
17, 15 f. Ich — hüte mich, ihn zu verstehn...] In W II 7, 107 lautete die Stelle:
„Kein Räthsel für Ihre Zähne. Ein ewiges Räthsel! Selbst die Bayreuther
haben es nicht geknackt" (KSA 14, 403).
17, 17-20 Dass man durch ein Wagnerisches Ballet zur Verzweiflung gebracht
werden kann — und zur Tugend! (nochmals der Fall Tannhäusers)] Auch wenn
der zweite Teil der Ouvertüre zum Tannhäuser vorausgreifend auf die Venus-
berg-Szene an eine Ballett-Musik erinnert, hat Wagner es aus prinzipiellen
Erwägungen über das Wesen der Oper eigentlich abgelehnt, Ballette in seine
Opern aufzunehmen. Zwar ergänzte er für die Premiere des Tannhäuser in Paris
die Fassung der Dresdner Uraufführung um das sogenannte Bacchanal, ein
szenisches Ballett. Dennoch kam es 1861 bei der Pariser Aufführung zu einem
nachmals berüchtigten Opern-Skandal, weil Wagner die dort erhobene Forde-
rung nach einem Ballett im zweiten Akt nicht erfüllen wollte. In seinem Bericht
über die Aufführung des , Tannhäuser' in Paris (1861) schreibt Wagner dazu:
„Wem war es denn klarer als mir, daß dieses große Operntheater [sc. die Opera
de Paris] längst jeder ernstlichen künstlerischen Tendenz sich entfremdet hat,
daß in ihm ganz andere Forderungen als die der dramatischen Musik sich zur
Geltung gebracht haben, und daß die Oper selbst dort nur noch zum Vorwande
für das Ballet geworden ist? [...] / Wirklich zeigte es sich nun sogleich bei
meiner ersten Unterredung mit dem Direktor der großen Oper, daß als
nöthigste Bedingung für den Erfolg der Aufführung des ,Tannhäuser' die Ein-
führung eines Ballets, und zwar im zweiten Akte, festzusetzen wäre. Hinter die
Bedeutung dieser Forderung sollte ich erst kommen, als ich erklärte, unmög-
lich den Gang gerade dieses zweiten Aktes durch ein in jeder Hinsicht hier
sinnloses Ballet stören zu können, dagegen aber im ersten Akte, am üppigen
Hofe der Venus, die allergeeignetste Veranlassung zu einer choreographischen
Scene von ergiebigster Bedeutung ersehen zu dürfen, hier, wo ich selbst bei
meiner ersten Abfassung des Tanzes nicht entbehren zu können geglaubt
hatte. Wirklich reizte mich sogar die Aufgabe, hier einer unverkennbaren
Schwäche meiner früheren Partitur abzuhelfen, und ich entwarf einen ausführ-
lichen Plan, nach welchem diese Scene im Venusberge zu einer großen Bedeu-
und diese dem freien Helden Siegfried als seinem Nachfolger überlässt, glaubt
zunächst noch (bis zu Beginn des 3. Aktes von Siegfried), dass dieser seinen
eigenen Plänen folgen würde: Als Wotan dann aber Siegfried tatsächlich zum
ersten Mal begegnet, muss er einsehen, dass dieser keineswegs seines Rates
bedarf — Siegfried hat für den alten Mann nur Spott übrig, wonach der zutiefst
gekränkte Wotan sich ihm noch einmal in den Weg stellen will, jedoch von
Siegfried einfach zur Seite gestoßen wird und schließlich endgültig von der
Bühne verschwinden muss.
17, 15 f. Ich — hüte mich, ihn zu verstehn...] In W II 7, 107 lautete die Stelle:
„Kein Räthsel für Ihre Zähne. Ein ewiges Räthsel! Selbst die Bayreuther
haben es nicht geknackt" (KSA 14, 403).
17, 17-20 Dass man durch ein Wagnerisches Ballet zur Verzweiflung gebracht
werden kann — und zur Tugend! (nochmals der Fall Tannhäusers)] Auch wenn
der zweite Teil der Ouvertüre zum Tannhäuser vorausgreifend auf die Venus-
berg-Szene an eine Ballett-Musik erinnert, hat Wagner es aus prinzipiellen
Erwägungen über das Wesen der Oper eigentlich abgelehnt, Ballette in seine
Opern aufzunehmen. Zwar ergänzte er für die Premiere des Tannhäuser in Paris
die Fassung der Dresdner Uraufführung um das sogenannte Bacchanal, ein
szenisches Ballett. Dennoch kam es 1861 bei der Pariser Aufführung zu einem
nachmals berüchtigten Opern-Skandal, weil Wagner die dort erhobene Forde-
rung nach einem Ballett im zweiten Akt nicht erfüllen wollte. In seinem Bericht
über die Aufführung des , Tannhäuser' in Paris (1861) schreibt Wagner dazu:
„Wem war es denn klarer als mir, daß dieses große Operntheater [sc. die Opera
de Paris] längst jeder ernstlichen künstlerischen Tendenz sich entfremdet hat,
daß in ihm ganz andere Forderungen als die der dramatischen Musik sich zur
Geltung gebracht haben, und daß die Oper selbst dort nur noch zum Vorwande
für das Ballet geworden ist? [...] / Wirklich zeigte es sich nun sogleich bei
meiner ersten Unterredung mit dem Direktor der großen Oper, daß als
nöthigste Bedingung für den Erfolg der Aufführung des ,Tannhäuser' die Ein-
führung eines Ballets, und zwar im zweiten Akte, festzusetzen wäre. Hinter die
Bedeutung dieser Forderung sollte ich erst kommen, als ich erklärte, unmög-
lich den Gang gerade dieses zweiten Aktes durch ein in jeder Hinsicht hier
sinnloses Ballet stören zu können, dagegen aber im ersten Akte, am üppigen
Hofe der Venus, die allergeeignetste Veranlassung zu einer choreographischen
Scene von ergiebigster Bedeutung ersehen zu dürfen, hier, wo ich selbst bei
meiner ersten Abfassung des Tanzes nicht entbehren zu können geglaubt
hatte. Wirklich reizte mich sogar die Aufgabe, hier einer unverkennbaren
Schwäche meiner früheren Partitur abzuhelfen, und ich entwarf einen ausführ-
lichen Plan, nach welchem diese Scene im Venusberge zu einer großen Bedeu-