Stellenkommentar WA 4, KSA 6, S. 20 75
Wirthschaftswelt beruht gerade auf jenen Kräften, welche die Vorzeit den hölli-
schen Mächten, dem Teufel selber zuschrieb." Vgl. auch NL 1887, KSA 12, 10[21],
466-468 (KGW IX 6, W II 2, 125-126), wo Herrmanns Thema von Kultur als
Übel- und Zufallsbewältigung durchgespielt wird.
20, 21-23 Das Schiff fuhr auf ein Riff; Wagner sass fest. Das Riff war die
Schopenhauerische Philosophie; Wagner sass auf einer conträren Weltansicht
fest.] Vgl. NK 20, 6 f. Die Schiffs- und Untergangsmetapher spielt auf den Flie-
genden Holländer an. 1854 hatte Georg Herwegh Wagner ins Zürcher Exil Scho-
penhauers Hauptwerk Die Welt als Wille und Vorstellung gebracht — ein Werk,
das Wagner schließlich vier Mal intensiv studieren sollte. Fortan zählt Scho-
penhauer zu Wagners wichtigsten intellektuellen Leitfiguren; seine Philoso-
phie erscheint Wagner als eine Art definitiver Welterkenntnis. Am 28. Juni 1869
notiert Cosima Wagner in ihrem Tagebuch: „Ich frug ihn, ob er meinte, daß
nach Schopenhauer viel auf philosophischem Gebiete zu entdecken sei, er
sagte mir: ,Darzustellen viel, zu entdecken glaube ich nicht.'" (C. Wagner 1988,
1, 118) Wagner sieht bei Schopenhauer durchaus die Aussicht auf Erlösung
eröffnet, so dass er im „Nachtrag" Was nützt diese Erkenntniß? zu Religion und
Kunst dessen Werk als ethisches Rezeptbuch benutzt: „zur Anleitung für ein
selbständiges Beschreiten der Wege wahrer Hoffnung, kann nach dem Stande
unserer jetzigen Bildung nichts anderes empfohlen werden, als die Schopen-
hauer'sche Philosophie in jeder Beziehung zur Grundlage aller ferneren geisti-
gen und sittlichen Kultur zu machen" (Wagner 1907, 10, 257). Vgl. zum Thema
Reinhardt 1986 und Sans 1969.
20, 24-27 Den Optimismus. Wagner schämte sich. Noch dazu einen Optimis-
mus, für den Schopenhauer ein böses Beiwort geschaffen hatte — den ruchlo-
sen Optimismus.] In Schopenhauers Welt als Wille und Vorstellung, Bd. 1, 4.
Buch, § 59 heißt es: „Uebrigens kann ich hier die Erklärung nicht zurückhalten,
daß mir der Optimismus, wo er nicht /385/ etwan das gedankenlose Reden
Solcher ist, unter deren platten Stirnen nichts als Worte herbergen, nicht bloß
als eine absurde, sondern auch als eine wahrhaft ruchlose Denkungsart
erscheint, als ein bitterer Hohn über die namenlosen Leiden der Menschheit."
(Schopenhauer 1873-1874, 2, 384 f.) N. benutzt die Schopenhauer-Stelle schon
in der Polemik gegen David Friedrich Strauß, gegen dessen ruchlosen Optimis-
mus er sich 1873 meinte verwahren zu müssen (UB I DS 6, KSA 1, 192, 18-23).
20, 31 f. Bene navigavi, cum naufragium feci...] Der Ausspruch „gut bin ich
gesegelt, als ich Schiffbruch erlitten habe", wird bei Diogenes Laertius De Vitis
VII 4 dem Stoiker Zenon von Kition zugeschrieben. N. hat den Spruch in Scho-
penhauers Parerga und Paralipomena finden können: „Der Glaube an eine spe-
cielle Vorsehung, oder sonst eine übernatürliche Lenkung der Begebenheiten
Wirthschaftswelt beruht gerade auf jenen Kräften, welche die Vorzeit den hölli-
schen Mächten, dem Teufel selber zuschrieb." Vgl. auch NL 1887, KSA 12, 10[21],
466-468 (KGW IX 6, W II 2, 125-126), wo Herrmanns Thema von Kultur als
Übel- und Zufallsbewältigung durchgespielt wird.
20, 21-23 Das Schiff fuhr auf ein Riff; Wagner sass fest. Das Riff war die
Schopenhauerische Philosophie; Wagner sass auf einer conträren Weltansicht
fest.] Vgl. NK 20, 6 f. Die Schiffs- und Untergangsmetapher spielt auf den Flie-
genden Holländer an. 1854 hatte Georg Herwegh Wagner ins Zürcher Exil Scho-
penhauers Hauptwerk Die Welt als Wille und Vorstellung gebracht — ein Werk,
das Wagner schließlich vier Mal intensiv studieren sollte. Fortan zählt Scho-
penhauer zu Wagners wichtigsten intellektuellen Leitfiguren; seine Philoso-
phie erscheint Wagner als eine Art definitiver Welterkenntnis. Am 28. Juni 1869
notiert Cosima Wagner in ihrem Tagebuch: „Ich frug ihn, ob er meinte, daß
nach Schopenhauer viel auf philosophischem Gebiete zu entdecken sei, er
sagte mir: ,Darzustellen viel, zu entdecken glaube ich nicht.'" (C. Wagner 1988,
1, 118) Wagner sieht bei Schopenhauer durchaus die Aussicht auf Erlösung
eröffnet, so dass er im „Nachtrag" Was nützt diese Erkenntniß? zu Religion und
Kunst dessen Werk als ethisches Rezeptbuch benutzt: „zur Anleitung für ein
selbständiges Beschreiten der Wege wahrer Hoffnung, kann nach dem Stande
unserer jetzigen Bildung nichts anderes empfohlen werden, als die Schopen-
hauer'sche Philosophie in jeder Beziehung zur Grundlage aller ferneren geisti-
gen und sittlichen Kultur zu machen" (Wagner 1907, 10, 257). Vgl. zum Thema
Reinhardt 1986 und Sans 1969.
20, 24-27 Den Optimismus. Wagner schämte sich. Noch dazu einen Optimis-
mus, für den Schopenhauer ein böses Beiwort geschaffen hatte — den ruchlo-
sen Optimismus.] In Schopenhauers Welt als Wille und Vorstellung, Bd. 1, 4.
Buch, § 59 heißt es: „Uebrigens kann ich hier die Erklärung nicht zurückhalten,
daß mir der Optimismus, wo er nicht /385/ etwan das gedankenlose Reden
Solcher ist, unter deren platten Stirnen nichts als Worte herbergen, nicht bloß
als eine absurde, sondern auch als eine wahrhaft ruchlose Denkungsart
erscheint, als ein bitterer Hohn über die namenlosen Leiden der Menschheit."
(Schopenhauer 1873-1874, 2, 384 f.) N. benutzt die Schopenhauer-Stelle schon
in der Polemik gegen David Friedrich Strauß, gegen dessen ruchlosen Optimis-
mus er sich 1873 meinte verwahren zu müssen (UB I DS 6, KSA 1, 192, 18-23).
20, 31 f. Bene navigavi, cum naufragium feci...] Der Ausspruch „gut bin ich
gesegelt, als ich Schiffbruch erlitten habe", wird bei Diogenes Laertius De Vitis
VII 4 dem Stoiker Zenon von Kition zugeschrieben. N. hat den Spruch in Scho-
penhauers Parerga und Paralipomena finden können: „Der Glaube an eine spe-
cielle Vorsehung, oder sonst eine übernatürliche Lenkung der Begebenheiten