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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,1): Kommentar zu Nietzsches "Der Fall Wagner", "Götzen-Dämmerung" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.70913#0102
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Stellenkommentar WA 5, KSA 6, S. 22 83

(Sand 1855, 34, 127) In N.s Bibliothek haben sich einige Bände der Sämmtlichen
Werke Sands erhalten, jedoch nicht ihre vielbändige Lebensgeschichte.
22, 26-30 lauter Hysteriker-Probleme —, das Convulsivische seines Affekts,
seine überreizte Sensibilität, sein Geschmack, der nach immer schärfern Würzen
verlangte, seine Instabilität, die er zu Principien verkleidete] In dem von N.
benutzten Compendium der praktischen Medicin gelten „abnorm gesteigerte
Reflexerregbarkeit in der sensiblen Sphäre", „mannigfaltigste[.] Hyperästhe-
sien" (Kunze 1881, 98) sowie „allgemeine clonische und tonische
Krämpfe oder vereinzelte Zuckungen und Contractionen", kurz
„Convulsionen" (Kunze 1881, 99) als Kennzeichen der Hysterie. Auch bei
Richet 1884, 273 wird schwere Hysterie mit Konvulsionen in Verbindung
gebracht. Im Plan zu einer „Neue[n] unzeitgemäßen Betrachtung"
(NL 1885, KSA 11, 41[2], 669, 17 = KGW IX 4, W I 5, 46, 1) schreibt N.: „Man
sehe nur unsre Frauen an, wenn sie ,wagnetisirt' sind: welche ,Unfreiheit
des Willens'! [...] Bei den eigentlichen ,Mänaden' der Wagner-Anbetung darf
man unbedenklich sogar auf Hysterie und Krankheit schließen; irgend Etwas
ist in ihrer Geschlechtlichkeit nicht in Ordnung; oder es fehlt an Kindern, oder,
im erträglichsten Falle, an Männern." (KSA 11, 674, 21-32 = KGW IX 4, W I 5,
24, 2-18) Das erinnert stark an eine bei Tappert 1877, 3 kolportierte Äußerung:
„Nach der ,Tristan'-Aufführung in Berlin, März 1876, gestattete sich Herr Robert
Lienau, Besitzer und Redacteur des ,Echo', folgende Behauptung: ,Der
Anhang Wagner's besteht aus hysterischen Mänaden und entnerv-
ten Corybanten.' (,Echo', 1876, Nr. 13.)". Zur Kulturgeschichte der Hysterie
im 19. Jh. mit dem Schwergewicht auf Jean-Martin Charcot (1825-1893) siehe
Didi-Huberman 1997. Vgl. NK KSA 6, 94, 5-7 und 117, 30-32.
22, 33 Wagner est une nevrose.] Französisch: „Wagner ist eine Nerven-
krankheit." Vgl. Brandes 1887b, 174 über die Frage, die die Gebrüder Goncourts
(zu diesen NK GD KSA 6, 111, 14 f.) in ihren Romanen umtreibe: „Welchen
Störungen ist das überreizte Nervensystem des Künstlers in seinen Verhältnis-
sen zu der umgebenden Welt besonders ausgesetzt? Und da das Genie bei
ihnen wie nach der bekannten Definition Doctor Moreau's ,eine Nevrose', d. h.
eine Nervenkrankheit ist, so sind die Störungen mannigfach und tief eingrei-
fend." Die fragliche Stelle findet sich bei Moreau 1859, 467. KSA 14, 404 verweist
als Quelle auf einen Eintrag in Goncourts Journal, wo es am 2. September 1866
heißt: „Et le mot du docteur Moreau de Tours: ,Le genie est une nevrose'".
Jedoch fehlt in der von N. benutzten Ausgabe des Journal just diese Stelle
(Goncourt 1888, 3, 65 f.), die erst in jüngeren Editionen erscheint. Der N. geläu-
fige literaturkritische Diskurs in Frankreich hatte bereits die psychopathologi-
sche Terminologie der Zeit aufgenommen — eine Tendenz, die N. durch die
 
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