84 Der Fall Wagner
Adaption der Hysterie-Forschungen von Fere 1887 noch verstärkt: „Wagneri-
sche Heldinnen" seien „ein armes Volk [...] und ein Präparat zu allerlei neuro-
tisch-hypnotisch-erotischen Experimenten Pariser Psychologen!" (NL 1888,
KSA 13, 15[6], 407, 27-29, vgl. Stingelin 1999, 42). In Fere 1887 kommt der Aus-
druck „nevrose" freilich nur an einer einzigen, unspezifischen Stelle vor (Fere
1887, 30). Der Spruch „le genie est une nevrose" und Diskussionen zum Thema
tauchen in N.s sonstigen einschlägigen Lektüren gelegentlich einmal auf, so in
Joly 1884, XII und 75 f. (Nachweis bei Campioni 1992, 402 sowie Campioni 1995,
403 f., eine Notiz dazu in NL 1885/86, KSA 12, 2[23], 76 = KGW IX 5, W I 8, 236,
2-11) sowie in Brunetiere 1884a, 309f. (Nachweis bei Campioni 1995, 404) und
Brunetiere 1887, 39 (N. hat diese Seite markiert, vgl. NPB 155). Vgl. NK KSA 6,
145, 25-28. Unter nervenpsychologischen Gesichtspunkten haben auch deut-
sche Musikkritiker wie Eduard Hanslick Wagners Musik betrachtet, siehe NK
44, 17 f.
22, 34-23, 2 Nichts ist vielleicht heute besser bekannt, Nichts jedenfalls besser
studirt als der Proteus-Charakter der Degenerescenz, der hier sich als Kunst und
Künstler verpuppt.] Hier kommt der Ausdruck „Degenerescenz" in N.s Werken
zum ersten Mal vor. N. dürfte ihn aus Charles Feres Degenerescence et crimina-
lite (1888) aufgenommen haben. Vgl. NK KSA 6, 71, 14. Nach Eduard Reichs
Der Epilepsismus aus dem Gesichtspuncte der Medicin, Strafrechtspflege und
Staatskunst (1886) ist „jener Zustand von Gebrechlichkeit, welchen [der Verfas-
ser] mit dem Namen Epilepsismus bezeichnet, wie ein Proteus über die ganze
Gesellschaft verbreitet" (zitiert nach Stark 1888, 595). Reich, dessen System der
Hygiene (1870-1871) N. besaß, zeigt in Der Epilepsismus eine große Vorliebe für
die Proteusmetapher. N., dessen Bekanntschaft mit Reichs Epilepsismus nicht
direkt nachzuweisen ist, könnte dem Buch in der die Proteusmetapher auskos-
tenden, ausführlichen Rezension von Carl Stark in der Allgemeinen Zeitschrift
für Psychiatrie und psychisch-gerichtliche Medicin begegnet sein, wo davor der
dritte Band von Charcots Legens und danach Leopold Löwenfelds Die moderne
Behandlung der Nervenschwäche (NPB 364) besprochen wurden.
23, 4-7 Gerade, weil Nichts moderner ist als diese Gesammterkrankung, diese
Spätheit und Überreiztheit der nervösen Maschinerie, ist Wagner der moderne
Künstler par excellence, der Cagliostro der Modernität.] Vgl. NK 12, 25-34.
Alessandro Graf von Cagliostro, mit richtigem Namen Giuseppe Balsamo (1743-
1795) war ein italienischer Abenteurer und Hochstapler, der als Alchemist und
Hexenkünstler die aristokratische Gesellschaft Europas in Atem gehalten hatte.
Der Vorwurf an Wagner, ein Blender und Verführer vom Schlage Cagliostros zu
sein, hat N. nicht erfunden; das Musikalische Wochenblatt von N.s (und Wag-
ners) zeitweiligem Verleger Ernst Wilhelm Fritzsch berichtete beispielsweise in
Adaption der Hysterie-Forschungen von Fere 1887 noch verstärkt: „Wagneri-
sche Heldinnen" seien „ein armes Volk [...] und ein Präparat zu allerlei neuro-
tisch-hypnotisch-erotischen Experimenten Pariser Psychologen!" (NL 1888,
KSA 13, 15[6], 407, 27-29, vgl. Stingelin 1999, 42). In Fere 1887 kommt der Aus-
druck „nevrose" freilich nur an einer einzigen, unspezifischen Stelle vor (Fere
1887, 30). Der Spruch „le genie est une nevrose" und Diskussionen zum Thema
tauchen in N.s sonstigen einschlägigen Lektüren gelegentlich einmal auf, so in
Joly 1884, XII und 75 f. (Nachweis bei Campioni 1992, 402 sowie Campioni 1995,
403 f., eine Notiz dazu in NL 1885/86, KSA 12, 2[23], 76 = KGW IX 5, W I 8, 236,
2-11) sowie in Brunetiere 1884a, 309f. (Nachweis bei Campioni 1995, 404) und
Brunetiere 1887, 39 (N. hat diese Seite markiert, vgl. NPB 155). Vgl. NK KSA 6,
145, 25-28. Unter nervenpsychologischen Gesichtspunkten haben auch deut-
sche Musikkritiker wie Eduard Hanslick Wagners Musik betrachtet, siehe NK
44, 17 f.
22, 34-23, 2 Nichts ist vielleicht heute besser bekannt, Nichts jedenfalls besser
studirt als der Proteus-Charakter der Degenerescenz, der hier sich als Kunst und
Künstler verpuppt.] Hier kommt der Ausdruck „Degenerescenz" in N.s Werken
zum ersten Mal vor. N. dürfte ihn aus Charles Feres Degenerescence et crimina-
lite (1888) aufgenommen haben. Vgl. NK KSA 6, 71, 14. Nach Eduard Reichs
Der Epilepsismus aus dem Gesichtspuncte der Medicin, Strafrechtspflege und
Staatskunst (1886) ist „jener Zustand von Gebrechlichkeit, welchen [der Verfas-
ser] mit dem Namen Epilepsismus bezeichnet, wie ein Proteus über die ganze
Gesellschaft verbreitet" (zitiert nach Stark 1888, 595). Reich, dessen System der
Hygiene (1870-1871) N. besaß, zeigt in Der Epilepsismus eine große Vorliebe für
die Proteusmetapher. N., dessen Bekanntschaft mit Reichs Epilepsismus nicht
direkt nachzuweisen ist, könnte dem Buch in der die Proteusmetapher auskos-
tenden, ausführlichen Rezension von Carl Stark in der Allgemeinen Zeitschrift
für Psychiatrie und psychisch-gerichtliche Medicin begegnet sein, wo davor der
dritte Band von Charcots Legens und danach Leopold Löwenfelds Die moderne
Behandlung der Nervenschwäche (NPB 364) besprochen wurden.
23, 4-7 Gerade, weil Nichts moderner ist als diese Gesammterkrankung, diese
Spätheit und Überreiztheit der nervösen Maschinerie, ist Wagner der moderne
Künstler par excellence, der Cagliostro der Modernität.] Vgl. NK 12, 25-34.
Alessandro Graf von Cagliostro, mit richtigem Namen Giuseppe Balsamo (1743-
1795) war ein italienischer Abenteurer und Hochstapler, der als Alchemist und
Hexenkünstler die aristokratische Gesellschaft Europas in Atem gehalten hatte.
Der Vorwurf an Wagner, ein Blender und Verführer vom Schlage Cagliostros zu
sein, hat N. nicht erfunden; das Musikalische Wochenblatt von N.s (und Wag-
ners) zeitweiligem Verleger Ernst Wilhelm Fritzsch berichtete beispielsweise in