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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,1): Kommentar zu Nietzsches "Der Fall Wagner", "Götzen-Dämmerung" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.70913#0107
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88 Der Fall Wagner

Lohengrin-Vorspiel in seinen physiolog(ischen) Einwirkungen auf die Sekre-
tion" (NL 1887/88, KSA 13, 11[323], 136, 29-137, 1, korrigiert nach KGW IX 7, W
II 3, 63, 44-54, hier nur in der späteren, von N. korrigierten Version ohne
durchgestrichene Passagen wiedergegeben; vgl. NL 1888, KSA 13, 15[99], 465,
6 f.). Denn es gilt: „man darf ihn ohne Übertreiben den größten Meister der
Hypnotisirung, selbst noch für unser Zeitalter der Hühner und Zauberer, nen-
nen" (NL 1888, KSA 13, 15[6]4, 405, 24-26). Die Formulierung in 23, 16 f. ist
bemerkenswert, denn der Hypnotiseur muss ja den Hypnotisanden nicht
berühren, ihn mit keinen „Griffen" traktieren. Ist die Wendung „hypnotische
Griffe" bewusst paradox formuliert oder hatte N. einfach keine sehr klaren
Vorstellungen von der hypnotischen Praxis? In dem 1888 erschienenen Band
La vie litteraire von Anatole France gibt es einen Essay unter dem Titel „L'hyp-
notisme dans la litterature" (France 1888, 117-129), der — auch wenn N. ihn
nicht gelesen haben dürfte — belegt, wie sehr das Thema Hypnose ins allge-
meine Kulturleben ausstrahlte.
23, 20 Geheimkunst] In N.s Werken kommt dieses Kompositum, das schon im
17. Jahrhundert belegt ist (Grimm 1854-1971, 5, 2360), nur hier vor. Es ist abwer-
tend gemeint und rückt Wagners Schaffen in die Nähe von Magie und Scharla-
tanerie. N. ist dem Ausdruck „Geheimkunst" beispielsweise bei seinen ethno-
graphischen Lektüren als Synonym für technische Praktiken in frühen Kulturen
begegnet, die einer kleinen Schicht vorbehalten blieben und der Arkandiszi-
plin unterlagen (z. B. Hellwald 1876, 1, 134; Caspari 1877, 2, 139).

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23, 24-28 Ich setze den Fall, dass der Erfolg Wagner's leibhaft würde,
Gestalt annähme, dass er, verkleidet zum menschenfreundlichen Musikgelehrten,
sich unter junge Künstler mischte. Wie meinen Sie wohl, dass er sich da verlaut-
barte?] Diese szenische Einlage — der in W II 6, 116 als Titel voranging: „Vom
Einfluss Wagners auf die Componisten. Eine Farsa" (KSA 14,
405) — lässt einen abstrakten Begriff in ähnlicher Weise als Menschen verkör-
pert erscheinen wie Goethes Faust (V. 1335 f.) Mephistopheles als „ein[en] Theil
von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft". Entspre-
chend mephistophelische Fragen stellt der leibhaft gewordene Erfolg Wagners
denn auch. Überdies wird, was in einem „Brief" (vgl. 13, 2) ja ohnehin häufiger
einmal zu geschehen hätte, der Leser mit einer rhetorischen Frage direkt ange-
sprochen. Diese Szene erinnert mit dem Leibhaftig-Werden einer abstrakten
Größe an eine Jugenderinnerung, die Wagner an prominenter Stelle platziert,
 
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