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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,1): Kommentar zu Nietzsches "Der Fall Wagner", "Götzen-Dämmerung" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.70913#0156
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Stellenkommentar WA 9, KSA 6, S. 32 137

Tragödie noch im Blick behält, andererseits aber „Drama" so übersetzt wie
„alle Welt": „Nun heißt ,Drama' ursprünglich That oder Handlung: als solche,
auf der Bühne dargestellt, bildete sie anfänglich einen Theil der Tragödie, d. h.
des Opferchor-Gesanges, dessen ganze Breite das Drama endlich einnahm und
so zur Hauptsache ward." (Wagner 1871-1873, 9, 362 = Wagner 1907, 9, 304).
Lacks 1989 verweist zur Erhellung der rätselhaften philologischen Fußnote
von WA 9 auf den dritten, posthum herausgegebenen Band von Theodor
Bergks Griechischer Literaturgeschichte, wo tatsächlich ähnliche Stichworte fal-
len: „In dem griechischen Cultus liegt von Haus aus ein dramatisches Element.
Nachahmende Tänze wie die Pyrrhiche oder den Waffentanz gab es seit alter
Zeit; die Tanzlieder hatten überhaupt einen entschieden mimischen Charakter.
[...]. Man nahm beim Festaufzuge die Gestalt des Gottes und seiner Begleiter
an und stellte einen Abschnitt der heiligen Geschichte in voller Gegenwärtig-
keit dar, und indem der Chor einen feierlichen Hymnus oder ein Processions-
lied anstimmte, ward die stumme Action belebt. In den verschiedensten Culten
und Gegenden Griechenlands treffen wir solche nachahmende Vorstellungen
an." (Bergk 1884, 3) Jedoch denkt Bergk nicht daran, eine andere als die
gewöhnliche Übersetzung des Wortes „Drama" vorzuschlagen, sondern wählt
in der etymologischen Herleitung einen N. gerade entgegengesetzten Weg,
insofern er den für die religiösen Gebräuche üblichen Begriff dem Drama als
Handlung annähert: „Diese Ceremonien und Darstellungen des Mythus heis-
sen toi Öpwpeva, Plut. de prof. in virt. c. 10 [...]. öpüpa, wenn es auch nicht
von diesem geheimen Gottesdienst gebraucht wird, berührt sich doch mit den
Öpwpeva: denn Öpapa ist Handlung." (Ebd., 4, Fn. 3) Damit trifft auch Bergk
der von N. in 32, 25 f. erhobene Vorwurf, selbst die Philologen befänden sich
mit ihrer Übersetzung im Irrtum. Was im Übrigen den angeblich dorischen
Ursprung des Dramas angeht, so findet sich bei Bergk nur die Bemerkung:
„Wie der Dionysusdienst überall in Griechenland verbreitet war, so auch die
mit diesem Cultus verbundenen volksthümlichen Belustigungen. Insbesondere
bei den Doriern im eigentlichen Hellas wie in den Colonien der Westmark
führte das diesem Stamme eigenthümliche Talent der Nachahmung zu mimi-
schen Darstellungen. Tragische Chöre traten unter den Doriern zuerst auf. Aber
noch weit beliebter war der kecke Hohn muthwilliger Spottlieder, an denen
der schlagfertige Witz der Dorier besondere Freude fand, daher man bald zu
dramatischer Gestaltung fortschritt. Die Anfänge des Lustspiels gehören den
Doriern unbestritten an. Allein die höhere Ausbildung des Dramas war den
Attikern vorbehalten" (ebd., 7). In einer Fußnote dazu nimmt Bergk schließlich
zu der bei Aristoteles kolportierten Etymologie Stellung: „Daher nahmen auch
die Dorier den Ruhm für sich in Anspruch, sowohl die Tragödie als auch die
Komödie erfunden zu haben, Aristoteles Poet. 3, 5. Nur durften sie sich nicht
 
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