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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,1): Kommentar zu Nietzsches "Der Fall Wagner", "Götzen-Dämmerung" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.70913#0182
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Stellenkommentar WA Nachschrift, KSA 6, S. 39-41 163

jeweils mit dem Satz beginnen: „Die Anhängerschaft an Wagner zahlt sich
theuer." (40, 7; 41, 12; 42, 3; 42, 28; 44, 4) Der erste Absatz behandelt den
Widerstand gegen Wagner, der zweite „die Lust, ihn loszusein" (41, 14),
der dritte Wagners geschmacksverderbende Massenwirkung, der vierte seine
Verführungskraft, der fünfte und letzte schließlich seine verheerende Wirkung
auf „Jünglinge" und Frauen.
40, 18-21 Die Herren Aesthetiker haben sich blossgestellt, als sie, aus drei
Schulen der deutschen Philosophie heraus, Wagner's Principien mit „wenn" und
„denn" einen absurden Krieg machten — was lag ihm an Principien, selbst den
eigenen!] Dass die professionellen Vertreter der philosophischen Ästhetik mit
Wagner ihre liebe Mühe haben, konstatiert N. schon in GT 19, allerdings unter
umgekehrten Vorzeichen: „Welches Schauspiel, wenn jetzt unsere Aesthetiker,
mit dem Fangnetz einer ihnen eignen ,Schönheit', nach dem vor ihnen mit
unbegreiflichem Leben sich tummelnden Musikgenius schlagen und haschen
[...]. Man mag sich nur diese Musikgönner einmal leibhaft und in der Nähe
besehen, wenn sie so unermüdlich Schönheit! Schönheit! rufen, [...] wobei ich
z. B. an Otto Jahn denke." (KSA 1, 127, 22-34) Zur ästhetischen Wagner-Kritik
des Philologen Otto Jahn (1813-1868), den N. als Student in Bonn gehört hatte,
siehe N.s Brief an Erwin Rohde vom 08. 10. 1868 (KSB 2, Nr. 591, S. 322, Z. 34-
53), sowie NK KSA 1, 127, 34. N. hatte damals Jahns Gesammelte Aufsätze über
Musik mit einem Beitrag über Tannhäuser (Jahn 1866, 64-86) und einem über
Lohengrin (ebd., 112-164) gelesen (dazu Panizzo 2007, 49-51). Dass die Kunst-
und Musik-Fachleute in Sachen Wagner besser schweigen sollten, ist ein in N.s
frühen Texten wiederkehrendes Motiv, denn: „Hier ist ein ganz Großer, der
von Erlebtem redet: was hätten die Kleinen, die nichts erlebt haben, unsere
Aesthetiker und Kunsthistoriker noch zu sagen!" (NL 1875, KSA 8, 11[32], 222,
8-11) In WA Nachschrift schwiegen die Ästhetiker zwar auch besser — aber
keineswegs, weil Wagner noch als „ein ganz Großer" gilt.
40, 23-41, 1 Ein Instinkt ist geschwächt, wenn er sich rationalisirt: denn damit,
dass er sich rationalisirt, schwächt er sich.] Einen Gegensatz von „Instinkt"
und Rationalität konstruierte schon der frühe N., wobei er instinktfeindlichen
Rationalismus in Sokrates und Euripides zurückprojizierte (z. B. NL 1869, KSA
7, l[106], 41, 6-11, markant dann in GT, vgl. auch NK KSA 6, 69, 21 f.). In N.s
mittleren Schaffensjahren tritt dieser Gegensatz zurück, während er im Spät-
werk decadence als Verlust von Instinkt interpretiert (AC 6, KSA 6, 172, 15-17).
41, 8-11 Die Deutschen, die Verzögerer par excellence in der Geschichte,
sind heute das zurückgebliebenste Culturvolk Europa's: dies hat seinen Vor-
theil, — eben damit sind sie relativ das jüngste.] In AC 61, KSA 6, 250-252
macht N. „die Deutschen" dafür verantwortlich, dass sie mit der Reformation
 
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