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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,1): Kommentar zu Nietzsches "Der Fall Wagner", "Götzen-Dämmerung" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.70913#0206
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Stellenkommentar WA Epilog, KSA 6, S. 48-50 187

Boden gewachsen] In der Genealogie der Moral und im Antichrist führt N. die-
sen „Gegensatz" breit aus. Demgegenüber steht Wagners Versuch in Helden-
thum und Christenthum (1881), einerseits im Banne Joseph Arthur de Gobineaus
eindeutig rassistisches Gedankengut von der Überlegenheit der weißen Rasse
und ihres Niedergangs durch Vermischung mit angeblich geringerwertigen Ras-
sen zu verbreiten, andererseits aber mit dem Christentum und Schopenhauer
eine universelle Mitleidsmoral zu postulieren, derzufolge jetzt — da wir alle
durch das Blut des Heilandes erlöst seien — der christliche Märtyrer und nicht
mehr der kampferprobte weiße Recke die höchste Verkörperung des Helden-
typs darstelle (vgl. dazu z. B. Ottmann 1999, 101).
50, 22-24 die Evangelien führen uns genau dieselben physiologischen Typen
vor, welche die Romane Dostoiewslcy's schildern] An dieser Stelle erscheint zum
ersten Mal in einem Werk N.s der Name Fjodor Dostojewskijs (1821-1881). Am
23. 02. 1887 hatte N. Overbeck berichtet: „Von Dostoiewsky wußte ich vor weni-
gen Wochen auch selbst den Namen nicht — ich ungebildeter Mensch, der
keine ,Journale' liest! Ein zufälliger Griff in einem Buchladen brachte mir das
eben ins Französische übersetzte Werk l'esprit souterrain unter die Augen
(ganz so zufällig ist es mir im 21ten Lebensjahre mit Schopenhauer und im 35ten
mit Stendhal gegangen!) Der Instinkt der Verwandtschaft (oder wie soll ich's
nennen?) sprach sofort, meine Freude war außerordentlich: ich muß bis zu
meinem Bekanntwerden mit Stendhals Rouge et Noir zurückgehen, um einer
gleichen Freude mich zu erinnern." (KSB 8, Nr. 804, S. 27, Z. 16-25) Mit Sicher-
heit hat N. neben der editorisch zweifelhaften Übersetzungskompilation
L'esprit souterrain (Dostoievsky 1886b — dazu Miller 1973b) auch die Überset-
zung der Besy von Victor Derely (Dostoievsky 1886a) gelesen, vielleicht auch
die Souvenirs de la maison des morts (Dostoievsky 1886c). Die Figur von Fürst
Myschkin, dem „Idioten" in Dostojewskijs gleichnamigem Roman ist N. offen-
kundig bekannt gewesen (vgl. AC 29, KSA 6, 200, 15; Nachlass 1888, KSA 13,
15[9], 409), ohne dass es doch für eine eigene Lektüre dieses Romans oder der
Brüder Karamasow und des Rasl<olnil<ow (der immerhin seit 1882 in einer auch
von Brandes wahrgenommenen Übersetzung von Wilhelm Henckel auf Deutsch
verfügbar war) einen direkten Beleg gäbe. Wahrscheinlicher ist, dass N. — trotz
seiner koketten Beteuerung, keine „Journale" zu lesen — Fürst Myschkin auf
sekundärem Weg begegnet ist. Insbesondere käme dafür der sehr ausführliche
Artikel über Dostojewskij in Frage, den Eugene-Melchior, vicomte de Vogüe
(1848-1910) 1885 für die Revue des deux mondes schrieb. Der Schriftsteller und
Historiker Vogüe, einige Jahre französischer Diplomat in St. Petersburg, spielte
als Vermittler russischer Kultur in Frankreich eine Schlüsselrolle; N., der
zumindest den Titel von Vogües Buch Le roman russe (1886) aufgeschnappt
haben könnte, notiert sich noch Ende 1888 Vogües Namen (NL 1888/89, KSA
 
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