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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,1): Kommentar zu Nietzsches "Der Fall Wagner", "Götzen-Dämmerung" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.70913#0209
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190 Der Fall Wagner

den Blindenleiter (Matthäus 15, 14), an das Gleichnis vom Splitter im Auge des
Bruders und vom Balken im eigenen Auge (Matthäus 7, 3-5) sowie an das
Ausreißen des ärgernden Auges (Matthäus 5, 29).
51, 21-23 Nach der Herren-Moral, der vornehmen Moral hinschielen (— die
isländische Sage ist beinahe deren wichtigste Urkunde —)] Wagner hatte sich
für seinen Ring des Nibelungen ausgiebig in der altisländischen Lieder-Edda
bedient und deren Figuren-Repertoire seiner eigenen Dichtung zugrunde
gelegt. Zugleich gibt die Klammerbemerkung Aufschluss darüber, dass N. seine
„Herren-Moral" in GM I zumindest teilweise anhand derselben Quelle model-
liert hat. N. besaß übrigens die vom Wagnerianer Hans von Wolzogen bei
Reclam besorgte Ausgabe der Edda, ließ sie aber großteils unaufgeschnitten
(Edda o. J., vgl. NPB 673). Gegenüber Georg Brandes hatte N. am 19. 02. 1888
die Absicht kundgetan, „die Bekanntschaft mit Ihrer älteren Litteratur zu
erneuern", womit er offensichtlich die altnordische Literatur meinte. „Dies
wird für mich, im besten Sinn des Wortes, von Nutzen sein" (KSB 8, Nr. 997,
S. 259, Z. 14-16). Am 27. 03. 1888 bescheinigte N. Brandes, der in seinen Briefen
von seinen zahlreichen Federkriegen berichtet hatte: „Zuletzt haben auch Sie,
mit dem Instinkte des Nordländers, das stärkste Stimulans gewählt, das es
giebt, um das Leben im Norden auszuhalten, den Krieg, den aggressiven
Affekt, den Wikinger-Streifzug." (KSB 8, Nr. 1009, S. 279, Z. 29-32) Brandes
seinerseits diskutiert im Brief vom 23. 05. 1888 Etymologien aus GM I 5 und
meint davor: „Ich vergass Ihnen zu sagen: Wenn Sie die isländischen
Sagen nicht kennen, müssen Sie dieselben studiren. Sie werden Manches
darin finden, dass [sic] Ihre Hypothesen und Theorien über die Moral einer
Herren-Race bestärkt." (KGB III 6, Nr. 542, S. 202, Z. 38-42) Auf diesen Brief
von Brandes nimmt N. explizit in seinem eigenen Brief an Köselitz vom 31. 05.
1888 Bezug, wo er u. a. vom Erfolg berichtet, den Brandes' Vorlesung über ihn
gehabt habe. Dazu kontextualisiert er Brandes' Bemerkung zur „isländischen
Sage" neu (hier wie in 51, 22 f. im Unterschied zu Brandes' bereits im Singu-
lar!): „Es scheint, daß meine Probleme diese Nordländer sehr interessirt haben;
im Einzelnen waren sie besser vorbereitet, z. B. für meine Theorie einer ,Her-
ren-Moral' durch die allgemeine genaue Kenntniß der isländischen Sage, die
das reichste Material dafür abgiebt." (KSB 8, Nr. 1041, S. 324, Z. 23-28) Es ist
deutlich, dass Brandes' Brief den Anstoß für die Erwähnung der „isländischen
Sage" in WA Epilog gegeben hat: Bereits gegenüber Köselitz suggeriert N. eine
souveräne Kenntnis dieser „Sage" und ihrer Verbundheit mit der „Herren-
Moral", ohne dass er zumindest während der Abfassungszeit von WA dazu
mehr gelesen hätte, als in Brandes' Brief stand!
51, 24 „Evangelium der Niedrigen"] Vgl. NK KSA 6, 112, 4.
51, 31 feminini generis] Lateinisch: „weiblichen Geschlechts".
 
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