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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,1): Kommentar zu Nietzsches "Der Fall Wagner", "Götzen-Dämmerung" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.70913#0218
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Überblickskommentar 199

68, dort für GD Streifzüge eines Unzeitgemässen 16 der Abschnitt-Titel „Deut-
sches Feingefühl").
2 N.s werkspezifische Äußerungen
N.s prominenteste werkspezifische Äußerungen finden sich wie zu den meisten
seiner Werke in den Retraktationen, die er in Ecce homo präsentierte. Immer-
hin wird man dem Kapitel EH GD 1-3, KSA 6, 354-356 mehr dokumentarische
Treue zuschreiben als den Kapiteln über ältere Bücher wie Die Geburt der Tra-
gödie oder die Unzeitgemässen Betrachtungen, da der Zeitpunkt der Abfassung
unmittelbar vor Ecce homo lag und deshalb eine umfassende Uminterpretation,
wie N. sie im Fall seiner Frühschriften vornahm, weniger wahrscheinlich ist.
Es mag überraschen, dass N. in Ecce homo den Kommentar zu GD vor denjeni-
gen zum früher entstandenen WA setzt und die Retraktation des erheblich
kürzeren Wagner-Büchleins viel länger ausfällt (vgl. EH WA 1-4, KSA 6, 357-
364). An der EH-Charakterisierung von GD fällt zunächst auf, dass der Erho-
lungsaspekt, der in GD Vorwort betont wird (vgl. NK 58, 5-7), wenig Bedeutung
hat, und der Eindruck entstehen könnte, GD sei bereits „Umwerthung", von
der in EH GD 3 dann sogleich die Rede ist: „es giebt", heißt es zu GD, „nichts
Substanzenreicheres, Unabhängigeres, Umwerfenderes, — Böseres. Will man
sich kurz einen Begriff davon geben, wie vor mir Alles auf dem Kopfe stand,
so mache man den Anfang mit dieser Schrift. Das, was Götze auf dem Titel-
blatt heisst, ist ganz einfach das, was bisher Wahrheit genannt wurde. Göt-
zen-Dämmerung — auf deutsch: es geht zu Ende mit der alten Wahrheit..."
(EH GD 1, KSA 6, 354, 7-14) Auch die evangelische Selbstbezeichnung als „fro-
her Botschafter" für „vorzuschreibende Wege der Cultur" (EH GD 2, KSA
6, 355, 12 f.) dokumentiert die Überlagerung der Werkprojekte „Umwerthung"
und GD. Das Spezifische an GD ist dem Rückblick in Ecce homo zufolge die
Auseinandersetzung mit vorgeblichen Wahrheiten aller Art. Zugleich gibt N.
mit seiner bildhaften Beschreibung einen Einblick in die Struktur der Schrift,
die nicht hierarchisch nach einem Einheitsprinzip gegliedert ist, sondern ein-
zelne Kapitel parataktisch aneinanderreiht (vgl. NK ÜK GD 4): „Ein grosser
Wind bläst zwischen den Bäumen, und überall fallen Früchte nieder — Wahr-
heiten. Es ist die Verschwendung eines allzureichen Herbstes darin: man stol-
pert über Wahrheiten, man tritt selbst einige todt, — es sind ihrer zu viele..."
(EH GD 2, KSA 6, 354, 20-23) Hier erscheint die Lektüre von GD als ein Herbst-
spaziergang, so dass der nicht eigens ausgesprochene Erholungsaspekt dann
doch noch zur Geltung käme. Eher erstaunt nach der Lektüre von GD der fol-
gende Passus: „Was man aber in die Hände bekommt, das ist nichts Fragwürdi-
 
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