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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,1): Kommentar zu Nietzsches "Der Fall Wagner", "Götzen-Dämmerung" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.70913#0220
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Überblickskommentar 201

deutet sie da als „hundertfache Kriegserklärung, mit einem fernen Donner im
Gebirge; im Vordergrund viel ,Lustiges'" (KSB 8, Nr. 1132, S. 453, Z. 23 f.). Und
auch gegenüber Georg Brandes gibt N. sich am 20. 10. 1888 geistig gewaltbe-
reit: „Diese Schrift ist meine Philosophie in nuce — radikal bis zum
Verbrechen..." (KSB 8, Nr. 1134, S. 457, Z. 35 f.) Die im Brief an Naumann vom
7. September 1888 noch vorherrschende Zurückhaltung in der Selbsteinschät-
zung ist verflogen (KSB 8, Nr. 1103, S. 411 f.). Der Anspruch auf Radikalismus —
gewissermaßen als Verschärfung des politischen Radikalismus, der im 19. Jahr-
hundert europaweit antiklerikal, antinational und individualemanzipatorisch
auftrat — zieht sich durch viele von N.s Urteilen über sein neues Werk. An
Meta von Salis vermeidet er jedenfalls am 14. November 1888 die Beendigung
des Drucks und kokettiert mit der Erdbebenmetapher (KSB 8, Nr. 1144, S. 472).
Am 25. November 1888 schreibt N. seinem Verleger, das ihm zugeschickte Buch
gefalle ihm sehr, moniert Druckfehler und bespricht die Liste der Empfänger
von Freiexemplaren (KSB 8, Nr. 1156, S. 486 f.). Von Köselitz fordert N. am
selben Tag eine Rezension „für das Buchhändler-Börsenblatt", nicht ohne dem
gelehrigen Jünger den richtigen Wink zu geben, wie diese Rezension gestimmt
sein sollte: „Ich bekenne, daß mir die Götzen-Dämmerung als vollkom-
men erscheint; es ist nicht möglich, entscheidendere Dinge deutlicher und
delikater zu sagen..." (KSB 8, Nr. 1157, S. 488 f., Z. 24-26) Um den 8. Dezember
1888 schreibt er an Meta von Salis: „ich sende Ihnen hiermit etwas Stupen-
des, aus dem Sie ungefähr errathen werden, daß der alte Gott abgeschafft ist,
und daß ich selber alsbald die Welt regieren werde." (KSB 8, Nr. 1177, S. 510,
Z. 3-5) In einem Briefentwurf an Hippolyte Taine wohl vom selben Tag und
etwas bescheidener („vielleicht das radikalste Buch, das bisher geschrieben
wurde") wirbt N. um eine französische Übersetzung und betont, mit wie viel
„Sympathie" er darin die Franzosen behandele, während er „Deutschland
den Krieg" erkläre (KSB 8, Nr. 1179, S. 511). Die Übersetzungsidee verfolgt er
dann weiter in einem Brief(entwurf) an Jean Bourdeau, den vermeintlichen
Chefredakteur des Journal des Debats, und schlägt als Titel „Marteau des
Idoles" vor (etwa 17. 12. 1888, KSB 8, Nr. 1196, S. 535, Z. 81). Wie großartig es
um den Zuspruch für GD in Frankreich, besonders bei Taine, bestellt sei, schil-
dert N. in glühenden, wenn auch nicht ganz realitätsgetreuen Farben im Brief
an August Strindberg vom 18. Dezember 1888 (KSB 8, Nr. 1199, S. 539 f.). Bei
alledem geht GD noch nicht in den Verkauf: „Es hat nicht den geringsten Sinn,
jetzt mit Publikationen zu eilen." (An Naumann, 27. 12. 1888, KSB 8, Nr. 1213,
S. 552, Z. 16 f.) Um den Jahreswechsel ist auch von weiteren Übersetzungen,
ins Italienische und ins Englische die Rede (an Naumann, 29. 12. 1888, KSB 8,
Nr. 1220, S. 558; an Ruggero Bonghi, Ende Dezember 1888, KSB 8, Nr. 1230,
S. 568). Offenbar nimmt die Publikationseile doch wieder überhand.
 
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