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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,1): Kommentar zu Nietzsches "Der Fall Wagner", "Götzen-Dämmerung" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.70913#0233
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214 Götzen-Dämmerung

sowie zur „Verlängerung" des alten finden sich in W II 6, 144 f.; mit der Titelän-
derung in GD (vgl. NK 55, 1-3) wurden noch kleinere Änderungen nötig; unter
anderem kam die Datierung 58, 17-19 hinzu. In Heft W II 8 finden sich neben
solchen Änderungen zum Vorwort auch Vorstufen zum Schluss von AC, was
wiederum die enge genetische Zusammengehörigkeit beider Schriften belegt.
57, 3 Heiterkeit] Früh artikuliert N. Misstrauen gegenüber der „vorgeblichen
,Heiterkeit' der Griechen" in der schönfärberischen Sicht des Klassizismus (vgl.
GT Selbstkritik 1; zur damit implizierten Kritik am Griechenbild Johann Joa-
chim Winckelmanns vgl. NK KSA 1, 11, 17 f.) — denn nur angesichts der schre-
ckenerregenden Abgründe des Daseins sei dem dionysischen Menschen Heiter-
keit möglich (vgl. Appel 1997). Das wird bereits im ursprünglich für GT
vorgesehenen Vorwort an Richard Wagner deutlich (NL 1871, KSA 7, 11[1], 352,
24-26). Nach einem Notat in NL 1870, KSA 7, 6[18], 136 plante N. sogar eine
eigene Schrift mit dem Titel Griechische Heiterkeit. Eine neue Form von Heiter-
keit angesichts des Todes Gottes wird Thema des fünften Buches von FW
(1887), das mit der Erklärung „Was es mit unserer Heiterkeit auf sich
hat" beginnt (FW 343, KSA 3, 573, 8 f.): Die Nachricht vom offenen Horizont,
den der Tod Gottes schafft, bedeutet für die in FW sprechenden Philosophen
Beglückung und Erheiterung. Das Vorwort von GD evoziert demgegenüber
beim weltanschaulichen Abbruchunternehmen der Umwertung aller Werte (die
aus dem Tod Gottes folgt) Düsternis, gegen die die Heiterkeit, von der GD offen-
kundig zeugen soll, effektvoll abgehoben wird. Von einer drastischen Entge-
gensetzung lebt auch DD Die Sonne sinkt 3: „Heiterkeit, güldene, komm! / du
des Todes / heimlichster, süssester Vorgenuss!" (KSA 6, 396, 17-19) N.s Ver-
ständnis von Heiterkeit zehrt von einschlägigen Reflexionen bei Spinoza,
Hegel, Hölderlin, Schopenhauer und Burckhardt (Sauerwald 1974, 1040-1042;
Kiedaisch / Bär 1997, 21 f., Sommer 2000a, 615), aber auch bei Wagner (Wein-
rich 1990, 23 f.); N.s Heiterkeitsproklamationen wirken fort bei Ernst Jünger
und Thomas Mann (Weinrich 1990, 25-27).
57, 6 Das Zuviel von Kraft erst ist der Beweis der Kraft.] Die Wendung „Beweis
der Kraft" spielt zunächst auf 1. Korinther 2, 4 f. an, wo es in der von N. benutz-
ten Ausgabe heißt: „Und mein Wort und meine Predigt war nicht in vernünfti-
gen Reden menschlicher Weisheit, sondern in Beweisung des Geistes und der
Kraft [ev dnoöe^ei nvevpaTog Kai öuvdpewg]; /2, 5/ Auf daß euer Glaube
bestehe, nicht auf Menschen Weisheit, sondern auf GOttes Kraft." (Die Bibel:
Neues Testament 1818, 198; ohne Markierung N.s, vgl. NPB 670) Diese den
Philosophen seit der Antike verdächtige Abgrenzung der Glaubensverkündi-
gung von „vernünftigen Reden" und „menschlicher Weisheit" überbietet das
Vorwort von GD, indem sein Verfasser für sein eigenes Schaffen ein „Zuviel
 
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