Metadaten

Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,1): Kommentar zu Nietzsches "Der Fall Wagner", "Götzen-Dämmerung" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2012

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.70913#0256
Lizenz: In Copyright

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Stellenkommentar GD Sprüche, KSA 6, S. 61 237

vor Kurzem, auch nur zu sein? Zweitens, sagen sie, kann der Mensch der
Glückseligkeit entrathen. Alle edlen menschlichen Wesen hätten dies empfun-
den und ihren Seelenadel nur in der Schule des Entsagens und Verzichtens
gewonnen, und eine derartige gründliche Schulung sei der Anfang und die
nothwendige Bedingung aller Tugend." (Mill 1869-1880, 1, 140) Vgl. NK 135, 24
und NK KSA 6, 305, 18 f.
13
61, 4 f. Der Mann hat das Weib geschaffen — woraus doch? Aus einer Rippe
seines Gottes, — seines „Ideals"...] Zu Gott als „Ideal" vgl. AC 17, KSA 6, 184, 29.
„Ideal" hat in N.s Spätwerk eine beträchtliche Bedeutungsspannweite, ist
jedoch stets negativ konnotiert — als letztlich lebensfeindliche Überzeugung,
es sei denn, N. spricht von einem „Gegen-Ideal" (so EH GM, KSA 6, 353,
9), das er mit Zarathustra begründet habe. Die Bedeutungsspannweite des
„Ideals" und seine Nähe zur Religion charakterisiert auch N.s einschlägige Lek-
türen, vgl. z. B. Hellwald 1876, 1, 45: „Um Religion zu haben, bedarf es nicht
eines persönlichen Gottes und nicht einer Doppelwesenheit von Welt und Gott,
aber es bedarf der Annahme eines vernunftgemässen Weltalls, einer Vernünf-
tigkeit [des] Geschehns, mit anderen Worten eines Ideals. Phantasie, Reli-
gion, Ideal, man fasse sie wie immer, sind desshalb in ihrer Wesenheit gleich-
bedeutend und der Culturhistoriker ist vollauf berechtigt, sie zu identificiren."
Zum Ideal vgl. auch NK 131, 4-7.
In NL 1888, KSA 13, 15[118] war dem Spruch, wie er dann in 61, 4 f. verar-
beitet werden sollte (KSA 13, 477, 21 f.) noch vorangegangen: „Das Weib, das
ewig Weibliche: ein bloß imaginärer Werth, an den allein der Mann glaubt."
(KSA 13, 477, 19 f., ähnlich in KGW IX 7, W II 3, 9, 22-24 u. KSA 14, 412). Thema-
tisch schließt dies an eine Überlegung an, die sich in N.s längerem Goncourt-
Exzerpt findet: „Der Mann hat das Weib gemacht, indem er ihr alle seine Poe-
sies giebt... Gavarni" (NL 1887/88, KSA 13, 11[296], 122, 26 f. = KGW IX 7, W II
3, 76, 40-42). Die Vorlage aus dem Bericht eines Besuchs von Paul Gavarni bei
Goncourt 1887, 1, 283 (28. September 1859) lautet: „Nous causons photographie
et de la fagon demoiselle, dont se colorient les figures dans la chambre noire,
du contraste complet avec la maniere de sentir et de reproduire des peintures.
Il [sc. Gavarni] nous dit qu'evidemment la peinture est une convention dont le
triomphe est le style, c'est-ä-dire ,1a tension de l'entendement vers l'idealite'! /
De lä, la causerie saute ä la femme. Selon lui, c'est l'homme qui a fait la femme
en lui donnant toutes ses poesies. Il se plaint de sa non-comprehension, de
son bavardage vide... Dans le temps oü il imaginait dans sa tete des caricatures
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften