246 Götzen-Dämmerung
indem sie das Christenthum von römischen Banden befreite, müsse auch der
Musik das ihr eigene Deutsche erhalten bleiben, das Tiefe und Erhabene."
(Nohl o. J., 87) N. wird sich provoziert gefühlt haben, dass er selber in einem
Buch, das derlei staatstragende Weisheiten verkündete, als treuer Knappe Sieg-
frieds erschien, vgl. NK KSA 6, 324, 8 f. In AC 61 nimmt er — ohne Wagner
zu nennen — scharf gegen den von diesem behaupteten Zusammenhang von
Reformation, Wahrheit und Deutschtum Stellung, vgl. NK KSA 6, 251, 27-32.
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62, 23-63, 2 Damit, dass man nach den Anfängen sucht, wird man Krebs. Der
Historiker sieht rückwärts; endlich glaubt er auch rückwärts.] Der Krebs ist
das rückwärts gehende Tier, vgl. GD Streifzüge eines Unzeitgemässen 43, KSA
6, 144, 23-25, wonach es freilich niemandem freistehe, Krebs zu sein. Das Motiv
des rückwärtsgehenden (im Unterschied zum rot werdenden) Krebs kommt bei
N. erst spät vor, vgl. NL 1887/88, KSA 13, 11[39], 20 (KGW IX 7, W II 3, 182, 32-
34) und NL 1888, KSA 13, 20[69], 561. 62, 23-63, 2 nimmt das alte Thema des
richtigen Umgangs mit der Historie aus UB II HL wieder auf und entlarvt die
Suche nach und die Orientierung an den „Anfängen" als konservative Ideolo-
gie, da es — wie dann GM breit ausführt — keine normativen Ursprünge geben
könne (vgl. z. B. Foucault 1978 und Sommer 2003a).
Die Formulierung, der Historiker sehe und glaube schließlich auch rück-
wärts, erinnert an Friedrich Schlegels 80. Athenäums-Fragment: „Der Historiker
ist ein rückwärts gekehrter Prophet." (Schlegel 1882, 2, 215).
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63, 4-6 Zufriedenheit schützt selbst vor Erkältung. Hat je sich ein Weib, das
sich gut bekleidet wusste, erkältet? — Ich setze den Fall, das[s] es kaum bekleidet
war.] Vgl. NL 1888, KSA 13, 17[5], 527, 13-20: „Zuletzt inspirirt sie [sc. die „jun-
gen Geschöpfe"] auch noch ihr Putz; ihr Putz ist ihr dritter kleiner Rausch:
sie glauben an ihren Schneider, wie sie an Gott glauben: — und wer widerrie-
the ihnen diesen Glauben? dieser Glaube macht selig! Und die Selbstbewunde-
rung ist gesund! — Selbstbewunderung schützt vor Erkältung. Hat sich je ein
hübsches Weib erkältet, das sich gut bekleidet wußte? Nie und nimmermehr!
Ich setze selbst den Fall, daß sie kaum bekleidet war..." 17[5] ist zu Beginn
eine Fere-Adaption, vgl. Lampl 1986, 263 u. NK 116, 7-8.
indem sie das Christenthum von römischen Banden befreite, müsse auch der
Musik das ihr eigene Deutsche erhalten bleiben, das Tiefe und Erhabene."
(Nohl o. J., 87) N. wird sich provoziert gefühlt haben, dass er selber in einem
Buch, das derlei staatstragende Weisheiten verkündete, als treuer Knappe Sieg-
frieds erschien, vgl. NK KSA 6, 324, 8 f. In AC 61 nimmt er — ohne Wagner
zu nennen — scharf gegen den von diesem behaupteten Zusammenhang von
Reformation, Wahrheit und Deutschtum Stellung, vgl. NK KSA 6, 251, 27-32.
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62, 23-63, 2 Damit, dass man nach den Anfängen sucht, wird man Krebs. Der
Historiker sieht rückwärts; endlich glaubt er auch rückwärts.] Der Krebs ist
das rückwärts gehende Tier, vgl. GD Streifzüge eines Unzeitgemässen 43, KSA
6, 144, 23-25, wonach es freilich niemandem freistehe, Krebs zu sein. Das Motiv
des rückwärtsgehenden (im Unterschied zum rot werdenden) Krebs kommt bei
N. erst spät vor, vgl. NL 1887/88, KSA 13, 11[39], 20 (KGW IX 7, W II 3, 182, 32-
34) und NL 1888, KSA 13, 20[69], 561. 62, 23-63, 2 nimmt das alte Thema des
richtigen Umgangs mit der Historie aus UB II HL wieder auf und entlarvt die
Suche nach und die Orientierung an den „Anfängen" als konservative Ideolo-
gie, da es — wie dann GM breit ausführt — keine normativen Ursprünge geben
könne (vgl. z. B. Foucault 1978 und Sommer 2003a).
Die Formulierung, der Historiker sehe und glaube schließlich auch rück-
wärts, erinnert an Friedrich Schlegels 80. Athenäums-Fragment: „Der Historiker
ist ein rückwärts gekehrter Prophet." (Schlegel 1882, 2, 215).
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63, 4-6 Zufriedenheit schützt selbst vor Erkältung. Hat je sich ein Weib, das
sich gut bekleidet wusste, erkältet? — Ich setze den Fall, das[s] es kaum bekleidet
war.] Vgl. NL 1888, KSA 13, 17[5], 527, 13-20: „Zuletzt inspirirt sie [sc. die „jun-
gen Geschöpfe"] auch noch ihr Putz; ihr Putz ist ihr dritter kleiner Rausch:
sie glauben an ihren Schneider, wie sie an Gott glauben: — und wer widerrie-
the ihnen diesen Glauben? dieser Glaube macht selig! Und die Selbstbewunde-
rung ist gesund! — Selbstbewunderung schützt vor Erkältung. Hat sich je ein
hübsches Weib erkältet, das sich gut bekleidet wußte? Nie und nimmermehr!
Ich setze selbst den Fall, daß sie kaum bekleidet war..." 17[5] ist zu Beginn
eine Fere-Adaption, vgl. Lampl 1986, 263 u. NK 116, 7-8.