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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,1): Kommentar zu Nietzsches "Der Fall Wagner", "Götzen-Dämmerung" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.70913#0284
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Stellenkommentar GD Sokrates, KSA 6, S. 67-68 265

daher mit Nihilisten und Pessimisten auf einer Linie. Zur Begriffsgeschichte
der decadence bei N. in allen Gebrauchsnuancen NWB 1, 540-563, mit kultur-
diagnostischem Akzent Reschke 2008, vgl. ferner Conway 1995b u. NK 134, 1.
67, 18 f. Erschiene die Weisheit vielleicht auf Erden als Rabe, den ein kleiner
Geruch von Aas begeistert?...] In N.s Werken kommt der Rabe sonst nur noch
in MA II WS 342, KSA 2, 700, 12 f. vor: „Die Unterbrechungen sind die Raben,
welche dem Einsamen Speise bringen." Dort ist die Anspielung auf den Pro-
pheten Elia, der von den Raben gefüttert wird, offenkundig (1. Könige 17, 6).
Noah ließ während der Sintflut „einen Raben ausfliegen; der flog immer hin
und wieder, bis das Gewässer vertrocknete auf Erden" (Genesis 8, 7), wohl
weil er sich vom schwimmenden Tierkadaver ernähren konnte, was der ihm
nachgeschickten Taube (Genesis 8, 8-12) nicht möglich war. In der germani-
schen Mythologie haben die beiden Raben Wotans nach Grimm 1875, 1, 122
sprechende Namen: Sie „werden Huginn und Muninn genannt, und hugr (ani-
mus, cogitatio) und munr (mens), sie sind nicht nur muthig, sondern auch
weise und klug [...]. Auch dem griech. Apollo waren wolf und rabe heilig".
Als Weisheitsvogel ist der Rabe in der indischen Mythologie ebenfalls nicht
unbekannt (vgl. z. B. Creuzer 1836, 1, 431; zu dem in der germanischen Mytho-
logie dem Weltuntergang vorausgehenden, als Todesruf der Götter geltende
Rabenruf Mone 1822, 439-450 — mit Vernichtung ist der Rabe auch in Jesaia
34, 11 und Zephania 2, 14 assoziiert). In Wagners Götterdämmerung kommen
Wotans Raben an einigen Stellen vor — so blickt Siegfried ihnen nach, als
Hagen ihn meuchelt (3. Aufzug, 2. Szene). Metaphorologisch relevant ist, dass
der Rabe die Eule, damit ein Aasvogel einen nachtaktiven Raubvogel, als
Emblem der Philosophie ersetzt.
67, 22 Niedergangs-Typen] Vgl. auch NW Epilog, KSA 6, 50, 9-51, 3; GD
Streifzüge eines Unzeitgemässen 37, 137, 18-34; NL 1887-1888, KSA 13, 11[226],
87, 3-16 (KGW IX 7, W II 3, 113) u. NL 1888, KSA 13, 14[182], 367, 7-32 (KGW IX
8, W II 5, 27, 20-58).
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68, 2-10 ich erkannte Sokrates und Plato als Verfalls-Symptome, als Werkzeuge
der griechischen Auflösung, als pseudogriechisch, als antigriechisch („Geburt der
Tragödie" 1872). Jener consensus sapientium — das begriff ich immer besser —
beweist am wenigsten, dass sie Recht mit dem hatten, worüber sie übereinstimm-
ten: er beweist vielmehr, dass sie selbst, diese Weisesten, irgend worin physio-
logisch übereinstimmten, um auf gleiche Weise negativ zum Leben zu stehn, —
 
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