278 Götzen-Dämmerung
69, 28 f. sie galten als schlechte Manieren, sie stellten bloss.] Eine Rückkehr
zu einer intellektuellen Praxis des Verhüllens statt des Bloßstellens empfiehlt
N. in FW Vorrede zur zweiten Ausgabe 4, KSA 3, 351 f.
70, 6 f. Sokrates war der Hanswurst, der sich ernst nehmen machte] In
EH Warum ich ein Schicksal bin 1 will das sprechende Ich selbst lieber ein
„Hanswurst" als ein „Heiliger" sein (KSA 6, 365, 16-18). Im Zusammenhang
mit seinem Drama Timon der Redner notiert sich Hugo von Hofmannsthal am
02. 11. 1923: „Kern der Hauptfigur: der Hanswurst der sich ernst nehmen
machte (Wort von Nietzsche über Sokrates)" (Hofmannsthal 1975, 14, 144).
Nach dem Kommentar ebd., 583 hat Hofmannsthal diese Erkenntnis aus der
Lektüre von Ernst Bertrams damals sehr einflussreichem Werk Nietzsche. Ver-
such einer Mythologie übernommen (Bertram 1922, 311 f.).
6
70, 17 Die Juden waren deshalb Dialektiker] Dass die Juden Dialektiker, ja
„böse Dialektiker" seien, hätte N. beispielsweise in der Walch'schen Ausgabe
von Martin Luthers Genesis-Vorlesung finden können (Luther 1881, 2, 1293).
Die Rede von „jüdischer Dialektik" (der sogar Paulus bedurft habe — Herder
1909, 294) oder von „rabbinischer Dialektik" (die selbst Jesus gelegentlich
angewandt habe — Strauß 1835, 1, 618) scheint zu N.s Zeit geläufig gewesen
zu sein.
70, 17 f. Reinecke Fuchs war es] Vgl. NL 1887/88, KSA 13, 11[155], 73, 22-26
(korrigiert nach KGW IX 7, W II 3, 133, 4-10): „Der Krieg gegen die Vornehmen
und Mächtigen, wie er im neuen Testament geführt wird, ist ein Krieg, wie
der des Reineke und mit gleichen Mitteln: nur immer in priesterlicher Sal-
bung und in entschiedener Ablehnung, um seine eigene Schlauheit zu wissen."
Bei Hehn 1888, 241 f. konnte N. zu Goethes Versbearbeitung des spätmittelal-
terlichen Epenstoffes Reineke Fuchs (1793) lesen: „Da das Gedicht von Reineke
Fuchs sich die Aufgabe stellt, den Lauf der Welt, die Menschen, wie sie sind,
zu schildern — dass unter diesen nicht gerade das Böse, wohl aber die List
und der Verstand stets die Oberhand behalten —, so ist es besonders reich an
sprichwörtlichen Wendungen echt deutscher Art". In unmittelbarer Nachbar-
schaft stehen Sokrates und Goethes Reineke Fuchs auch in (vermutlich von N.
gelesenen) Aufzeichnungen Thomas Carlyles, die freilich nicht von Dialektik
handeln (Froude 1887, 1, 334). Immerhin zweimal rettet sich Reineke in der
Goetheschen Version des Stoffes durch dialektisches Geschick vor dem Tod.
69, 28 f. sie galten als schlechte Manieren, sie stellten bloss.] Eine Rückkehr
zu einer intellektuellen Praxis des Verhüllens statt des Bloßstellens empfiehlt
N. in FW Vorrede zur zweiten Ausgabe 4, KSA 3, 351 f.
70, 6 f. Sokrates war der Hanswurst, der sich ernst nehmen machte] In
EH Warum ich ein Schicksal bin 1 will das sprechende Ich selbst lieber ein
„Hanswurst" als ein „Heiliger" sein (KSA 6, 365, 16-18). Im Zusammenhang
mit seinem Drama Timon der Redner notiert sich Hugo von Hofmannsthal am
02. 11. 1923: „Kern der Hauptfigur: der Hanswurst der sich ernst nehmen
machte (Wort von Nietzsche über Sokrates)" (Hofmannsthal 1975, 14, 144).
Nach dem Kommentar ebd., 583 hat Hofmannsthal diese Erkenntnis aus der
Lektüre von Ernst Bertrams damals sehr einflussreichem Werk Nietzsche. Ver-
such einer Mythologie übernommen (Bertram 1922, 311 f.).
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70, 17 Die Juden waren deshalb Dialektiker] Dass die Juden Dialektiker, ja
„böse Dialektiker" seien, hätte N. beispielsweise in der Walch'schen Ausgabe
von Martin Luthers Genesis-Vorlesung finden können (Luther 1881, 2, 1293).
Die Rede von „jüdischer Dialektik" (der sogar Paulus bedurft habe — Herder
1909, 294) oder von „rabbinischer Dialektik" (die selbst Jesus gelegentlich
angewandt habe — Strauß 1835, 1, 618) scheint zu N.s Zeit geläufig gewesen
zu sein.
70, 17 f. Reinecke Fuchs war es] Vgl. NL 1887/88, KSA 13, 11[155], 73, 22-26
(korrigiert nach KGW IX 7, W II 3, 133, 4-10): „Der Krieg gegen die Vornehmen
und Mächtigen, wie er im neuen Testament geführt wird, ist ein Krieg, wie
der des Reineke und mit gleichen Mitteln: nur immer in priesterlicher Sal-
bung und in entschiedener Ablehnung, um seine eigene Schlauheit zu wissen."
Bei Hehn 1888, 241 f. konnte N. zu Goethes Versbearbeitung des spätmittelal-
terlichen Epenstoffes Reineke Fuchs (1793) lesen: „Da das Gedicht von Reineke
Fuchs sich die Aufgabe stellt, den Lauf der Welt, die Menschen, wie sie sind,
zu schildern — dass unter diesen nicht gerade das Böse, wohl aber die List
und der Verstand stets die Oberhand behalten —, so ist es besonders reich an
sprichwörtlichen Wendungen echt deutscher Art". In unmittelbarer Nachbar-
schaft stehen Sokrates und Goethes Reineke Fuchs auch in (vermutlich von N.
gelesenen) Aufzeichnungen Thomas Carlyles, die freilich nicht von Dialektik
handeln (Froude 1887, 1, 334). Immerhin zweimal rettet sich Reineke in der
Goetheschen Version des Stoffes durch dialektisches Geschick vor dem Tod.