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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,1): Kommentar zu Nietzsches "Der Fall Wagner", "Götzen-Dämmerung" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.70913#0319
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300 Götzen-Dämmerung

Fetisches. Das Wort Fetisch, durch de Brosses (,Du culte des dieux fetiches',
Par. 1760 [...]) zuerst im Umlauf gebracht, stammt von dem portugiesischen
Feitico (,Zauber') her, das vom lateinischen facticius (,künstlich gemacht')
abzuleiten ist, und mit welchem die Portugiesen die Götzen der Neger am Sene-
gal bezeichneten [...]. Bald aber nannte man alle in den ältern und neuern
Naturreligionen vergötterten, sinnlich anschaulichen Gegenstände Fetische
und versteht demnach unter F. diejenige Form der Religion, welche annimmt,
daß Gottheiten in gewissen materiellen Gegenständen eingekörpert leben kön-
nen, und diese deswegen anbetet. Der F. ist daher die roheste Form des Panthe-
ismus oder richtiger Animismus [...] und stellt uns das erste trübe Hervorleuch-
ten der Ahnung höherer Mächte dar. Die Menschen dieser Stufe denken sich
noch alle Dinge der Außenwelt, organische wie unorganische, als erfüllt von
einem Leben, das im wesentlichen ihrem eignen analog".
77, 22-78, 13 projicirt den Glauben an die Ich-Substanz [...] an die Gramma-
tik glauben...] In W II 5, 68 lautete die erste Fassung: „überträgt die subjektive
Scheinbarkeit auf alles Übrige, überall ein Sein hineinlegend und das Sein als
Ursache setzend. Wenn diese alten Weisen, wie die Eleaten unter den Griechen,
eine so große Überredungskraft für Jedermann hatt(en), selbst noch für mate-
rialistische Physiker (- Demokrit unterwirft sich der eleatischen Begriffsfixie-
rung des Seienden, als er sein Atom erfand -), so wollen wir nicht vergessen,
wen sie für sich hatten, den Instinkt der Sprache, die sogenannte Vernunft.
Diese glaubt an eine seiende Welt, ihre Kategorien würden unanwendbar in
einer Welt des absoluten Werdens sein...: wir sind heute in der That in der
Schwierigkeit, keine Formeln mehr für unsere Conception [...] zur Hand zu
haben und überall die alten Kategorien einschleppen zu müssen, um nur reden
zu können. Das giebt dergleichen beinahe lustige Quidproquos: so bedienen
wir uns heute noch des Wortes ,Ursache', haben es aber seines Inhalts ent-
leert,- und ich fürchte, alle unsere Formeln bedienen sich des alten Wortes,
in einem Sinne, der vollkommen willkürlich ist" (KGW IX 8, W II 5, 68, 24-48,
vgl. KSA 14, 414).
77, 26-28 Am Anfang steht das grosse Verhängniss von Irrthum, dass der Wille
Etwas ist, das wirkt, — dass Wille ein Vermögen ist...] Vgl. GD Die vier
grossen Irrthümer 3, KSA 6, 90 f.
78, 2 f. wir müssen schon einmal in einer höheren Welt heimisch gewesen sein]
Anspielung auf die etwa bei Platon propagierte Idee der Seelenwanderung und
der Wiedererinnerung an eine höhere Sphäre, in der der Mensch ursprünglich
heimisch war (vgl. z. B. Platon: Phaidon 75a-77a u. Menon 81a-e).
78, 5-11 In der That, Nichts hat bisher eine naivere Überredungskraft gehabt
als der Irrthum vom Sein, wie er zum Beispiel von den Eleaten formulirt wurde:
 
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