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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,1): Kommentar zu Nietzsches "Der Fall Wagner", "Götzen-Dämmerung" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.70913#0393
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374 Götzen-Dämmerung

deutsch zu sein." (KSA 14, 421; NL 1888, KSA 13, 16[18], 487; KGW IX 7, W II 3,
184, 35). Der Passus ist bereits viel älter und findet sich ähnlich im Kontext
von Za, NL 1884/85, KSA 11, 32[9], 405, 17 f., wo die Anspielung auf die Deut-
schen fehlt: „Geist haben ist heute nicht genug: man muß ihn noch sich neh-
men, sich Geist ,herausnehmen'; dazu gehört viel Muth." NL 1887, KSA 12,
10[56], 485 (KGW IX 6, W II 2, 102) stellt das Sich-Geist-Herausnehmen in den
Kontext einer expliziten Kritik an den Deutschen; 103, 4 ist ein gutes Beispiel
für N.s Technik der Neukontextualisierung früherer Überlegungen.
103, 9-13 Es ist nicht eine hohe Cultur, die mit ihm Herr geworden, noch
weniger ein delikater Geschmack, eine vornehme „Schönheit" der Instinkte; aber
männlichere Tugenden, als sonst ein Land Europa's aufweisen kann.] Mit
dem „neue[n] Deutschland" (103, 6) ist das 1871 gegründete Deutsche Reich
nach dem Deutsch-Französischen Krieg gemeint; die „männlicheren
Tugenden" (nämlich im Vergleich zu Rom) sind unter dem Begriff der virtus
genau das, was Tacitus in der Germania den Germanen zuschrieb: Die virtus
ist dort für die Bezeichnung militärischer Tugend reserviert (vgl. z. B. Tacitus:
Germania 3, 1; 7, 1 u. 13, 3). N. rechnet dagegen auf, was die Deutschen dafür
an Kultur- und Geistdefiziten in Kauf nehmen müssen.
103, 21 f. Es zahlt sich theuer, zur Macht zu kommen: die Macht verdummt...]
In seinen später als Weltgeschichtliche Betrachtungen publizierten Vorlesun-
gen, die N. in Basel gehört hat, sprach Jacob Burckhardt davon, dass Macht „an
sich böse" sei (Burckhardt 1929, 7, 25). Diese Bemerkung wird ihren Einfluss auf
N. nicht verfehlt haben, vgl. Gerhardt 1996, 71-76. N. noch nicht bekannt gewe-
sen sein dürfte die Formulierung von Lord John Emeric Acton in seinem Brief
vom 05. 04. 1887 an Mandell Creighton: „Power tends to corrupt. Absolute
power tends to corrupt absolutely" (zitiert nach Gerhardt 1996, 31); sie ist frei-
lich das passende Seitenstück zu 103, 21 f. Zur Interpretation dieser Stelle vgl.
auch Grau 2004, 70 f.
103, 23 Volle der Denker] Schon in MD, KSA 1, 896, 1 kritisiert N., dass vom
„Volk der Denker" nicht mehr viel übrigzubleiben drohe. Auch in von N. gele-
senen Büchern kommt die Wendung „Volk der Denker" häufig mit ironischem
oder kritischem Unterton vor, vgl. z. B. Hellwald 1876, 1, 190; Hellwald 1884,
2, 432; Oettingen 1882, 557. Während Wander 1867-1880, 4, 1680 zum „Volk der
Denker" — ,,[s]prichwörtliche Bezeichnung des preussischen Volkes, wie es das
Volk in Waffen genannt wird" — noch vermerkt, die „Quelle des Ausdrucks"
habe noch nicht eruiert werden können, nennt KSA 14, 421 nach Büchmann
Carl August Musäus' Vorbericht zu seinen Volksmärchen (1782).
104, 2 f. „Deutschland, Deutschland über Alles"] Die erste Zeile und der
Refrain von August Heinrich Hoffmann von Fallerslebens Lied der Deutschen
 
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