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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,1): Kommentar zu Nietzsches "Der Fall Wagner", "Götzen-Dämmerung" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.70913#0404
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Stellenkommentar GD Deutschen, KSA 6, S. 106-107 385

106, 23-26 die Frage Wagner, fast alle psychologischen und artistischen Fragen
werden dort unvergleichlich feiner und gründlicher erwogen als in Deutschland]
In Frankreich gab es eine sich in angesehenen Periodika artikulierende Wag-
ner-Kritik, für die etwa der scharfzüngige Aufsatz von Camille Bellaigue in der
Revue des deux mondes repräsentativ ist: „Wagner et ses adeptes ne discutent
guere avec leurs contradicteurs; ils les meprisent. Nulle ecole n'est plus intole-
rante, plus dedaigneuse de qui l'attaque ou ne la defend qu'ä demi. Wagner
est un maitre au sens le plus rigoureux du mot. Ses disciples, qui sont ses
esclaves, menacent de devenir nos tyrans. Vivant, il en imposait; mort, on nous
l'impose; mais qu'il soit permis au moins de protester contre ce despotisme
posthume." (Bellaigue 1885, 461. „Wagner und seine Anhänger sprechen nicht
mit ihren Gegnern, sie verachten sie. Keine Schule ist intoleranter und herab-
lassender gegenüber ihren Gegnern oder gegenüber jenen, die sie nur halbher-
zig verteidigen. Wagner ist ein Meister im wahrsten Sinn des Wortes. Seine
Anhänger, die seine Sklaven waren, drohen unsere Tyrannen zu werden.
Lebend hat er sich aufgezwungen; tot wird er uns aufgezwungen; wenigstens
sollte es gestattet sein, gegen diesen posthumen Despotismus zu protestie-
ren.") Bellaigue fragt sich, was mit Deutschland geschehen sei, wenn es Wag-
ner zu seinem Idol macht: „Elle [sc. l'Allemagne] a perdu sa gräce et sa simpli-
cite." (Ebd., 466. „Es [sc. Deutschland] hat seine Grazie und Einfachheit
verloren.") Vgl. auch NK KSA 6, 31, 14-16.
107, 2 f. Dass es nicht einen einzigen deutschen Philosophen mehr giebt, darü-
ber ist des Erstaunens kein Ende. —] In W II 6, 141 nennt N. die Misere beim
Namen: „Daß es keinen deutschen Philosophen gibt, ist ein Ende ersten Ran-
ges. Niemand ist so unbillig, es den Deutschen zuzurechnen, wenn geschwät-
zige Nullen, wie der Unbewußte, Herr Eduard von Hartmann oder ein gift- und
gallsüchtiges Gesindel wie der Berliner Antisemit Herr E. Dühring das Wort
Philosoph mißbrauchen — der letztere findet keinen anständigen Menschen
unter seinem Anhang, der erstere keinen anständigen ,Verstand'." (KSA 14,
422).

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107, 7-10 Dass Erziehung, Bildung selbst Zweck ist — und nicht „das
Reich" —, dass es zu diesem Zweck der Erzieher bedarf — und nicht der
Gymnasiallehrer und Universitäts-Gelehrten — man vergass das...] Während N.
im Frühwerk trotz der scharfen Kritik an einem instrumentell-ökonomischen
Bildungsverständnis etwa in ZB dazu tendierte, Bildung als Bildung zum Leben
 
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