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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,1): Kommentar zu Nietzsches "Der Fall Wagner", "Götzen-Dämmerung" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.70913#0422
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Stellenkommentar GD Streifzüge, KSA 6, S. 111-112 403

chung N.s am Rand. „Welches ist dieser unendliche Zusammenhang, diese
unzerstörbare Verbindung, welche nach Herrn Renan Wissenschaft und Aristo-
kratie verbindet, wie zwei Kräfte, von denen eine aus der anderen hervorgegan-
gen ist und die untrennbar bleiben? / Wir berühren hier eine Reihe von Gefüh-
len, Ideen und Überzeugungen, die sicher nicht die am wenigsten originellen
und am wenigsten persönlichen im Denken von Herrn Renan sind. Die Theorie
dieser notwendigen Allianz und in gewisser Weise dieser prästabilierten Har-
monie /281/ zwischen der Wissenschaft und dem aristokratischen Prinzip ist,
vermerken Sie es, eine seiner grundlegenden Theorien, ich könnte auch sagen,
einer seiner Glaubensartikel. [...] / ,Das geistige Leben erschien mir als einziges
vornehm genug; jegliche gewinnorientierte Tätigkeit erschien hingegen wie
Versklavung und meiner unwürdig...' Und ein bisschen weiter: ,Der Vornehme
war nach den landläufigen Vorstellungen derjenigem der nichts verdient, nie-
manden ausbeutet, der keinen Profit hat außer dem durch die Tradition festge-
legten Einkommen durch seine Ländereien.' / Sie fühlen, wie früh die Idee
der Wissenschaft und jene des Adels sich im Geist eines bretonischen und
katholischen Kindes fast instinktiv vereinigt haben. Später, die Geschichte stu-
dierend, wie musste dieser für die für das Studium spekulativer Gedanken
/282/ und für die Domäne des Vergangenen geborene Gelehrte verblüfft und
verzaubert gewesen sein, als er erkannte, welche Rolle einst die Aristokratien
und die Königshäuser für die Entwicklung der Wissenschaften und Künste
gespielt hatten? So gewann er den Eindruck, dass die Wissenschaft, wie er es
geschrieben hat, aristokratischen Ursprungs sei, dass es zwischen ihr und der
Aristokratie natürliche Affinitäten gebe, dass die Genies in einer Volksgesell-
schaft schlecht groß werden könnten und dass sie die günstige Voraussetzung
der Oligarchie benötigten."). Zur Entgegensetzung von Demokratie und Wis-
senschaft bei Renan siehe z. B. Hillebrand 1886a, 365-375. Intensiv gelesen hat
N. über Renan auch Scherer 1885, 93-134 (viele Lesespuren, NPB 523).
112, 2 f. Aristokratismus des Geistes] In W II 3, 9 hieß es: „heiligen Franziskus
des Aristokratismus des Geistes" (KSA 14, 423). Vgl. zum Motiv bei Renan z. B.
Renan 1877b, 60 f., 73, 76 f., 83-85; Bourget 1920, 1, 85-96 oder Hillebrand
1886b, 180: „fast Allen ist sein [sc. Renans] muthiger Aristokratismus zum
Gräuel" (dass N. diesen Aufsatz Hillebrands über Renan gekannt haben dürfte,
folgt auch aus seinem Brief an Resa von Schirnhofer vom 11. 03. 1885, der —
wie Hillebrand 1886b, 180 bzw. 183 — Renan als „süßlich" und Merimee als
„ironisch" charakterisiert — KSB 7, Nr. 578, S. 18, Z. 41-43). Auch anlässlich der
„Diners chez Magny", zu denen sich die intellektuelle Elite versammelte und
von denen die Brüder Goncourt berichteten (vgl. N. an Köselitz, 10. 11. 1887,
Nr. 948, S. 192), artikulierte Renan seine geistesaristokratischen Präferenzen
(KSA 14, 423). Die Wendung „Aristokratismus des Geistes", die so gut zu N. zu
 
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