406 Götzen-Dämmerung
Theologen Edmond de Pressense in der Revue chretienne von 1868 noch kein
festgefügter Begriff ist, sondern sich nur aus der Satzgliedstellung ergibt:
„L'Eglise aristocratique par excellence, qui a le clerge le plus richement dote
du monde, peut revendiquer toutes les gloires excepte celle d'etre ä l'image du
pauvre divin qui a fait recevoir l'Evangile des humbles et des ignorants, parce
qu'il vivait avec eux et comme eux." (Pressense 1868, 575. „Die aristokratische
[sc. katholische] Kirche schlechthin, die den bestbezahlten Klerus der Welt hat,
kann alle Ehren für sich reklamieren außer derjenigen, ein Abbild des armen
Gottmenschen zu sein, der die Geringen und Unwissenden das Evangelium
empfangen ließ, weil er mit ihnen und wie sie lebte.").
112, 6 f. wenn man mit seinen Eingeweiden Christ, Katholik und sogar Priester
geblieben ist!] Vgl. z. B. Hillebrand 1886b, 199 f.: „Seine [sc. Renans] Aristokra-
ten aber sind die Gelehrten — ich kann mir nicht helfen, ich sehe immer das
Ohrläppchen des Priesters, der alles Wissen besitzt." Demgegenüber Brandes
1887b, 76: „Er [sc. Renan] hatte gar nichts Priesterartiges und gar nichts von
dem Pathos eines Märtyrers des freien Gedankens. [...] ,Ich verkehre nicht mit
Katholiken', [sagt Renan]".
112, 7-12 Christ, Katholik und sogar Priester geblieben ist! Renan hat seine
Erfindsamkeit, ganz wie ein Jesuit und Beichtvater, in der Verführung; seiner
Geistigkeit fehlt das breite Pfaffen-Geschmunzel nicht, - er wird, wie alle Priester,
gefährlich erst, wenn er liebt. Niemand kommt ihm darin gleich, auf eine lebens-
gefährliche Weise anzubeten...] In W II 3, 11 heißt es stattdessen: „Katholik und
Femininum geblieben ist! Seine Finessen sind alle Weibs-Priester-finessen-
sie machen einem Manne beinahe Schande^} / Der Haß Renan's ist [...] nicht
aus erster Hand und (er ist) unschuldig und jedenfalls unschädlich: [...] aber
er versteht auf eine tödtliche Weise zu verehren" (KGW IX 7, W II 3, 11, 30-38
u. 17-22, vgl. KSA 14, 423). Über die Moral des Jesuitismus beabsichtigte N. sich
offensichtlich anhand des Compendium theologiae moralis des französischen
Jesuitenpaters Jean-Pierre Gury kundig zu machen (Gury 1862, vgl. NL 1886/87,
KSA 12, 5[110], 229 = KGW IX 3, N VII 3, 188, 2-4). Zu 112, 10-12 vgl. NL 1888,
KSA 13, 14[41], 238 f. (korrigiert nach KGW IX 8, W II 5, 169, 26-36; im Folgen-
den ohne durchgestrichene Passagen wiedergegeben): „Renan, der das mit den
Weibern gemeinsam hat, daß er nur lebensgefährlich wird, wenn er liebt; er
der niemals ohne kleine mörderische Nebenabsichten einen alten Götzen von
Ideal umarmt hat, immer neugierig, ob das, was er umarmt, nicht bereits
wackelt..." In dieser Notiz erscheint Renan als ein besonders kluger Götzen-
Kritiker. Diese Nähe zum Geschäft, das sich N. in GD selbst aufgibt, scheint in
der definitiven Fassung von GD Streifzüge eines Unzeitgemässen 2 die schroffe
Abgrenzung von Renan notwendig gemacht zu haben, will N. doch möglichst
ausschließen, verwechselt zu werden (EH Vorwort 1, KSA 6, 257).
Theologen Edmond de Pressense in der Revue chretienne von 1868 noch kein
festgefügter Begriff ist, sondern sich nur aus der Satzgliedstellung ergibt:
„L'Eglise aristocratique par excellence, qui a le clerge le plus richement dote
du monde, peut revendiquer toutes les gloires excepte celle d'etre ä l'image du
pauvre divin qui a fait recevoir l'Evangile des humbles et des ignorants, parce
qu'il vivait avec eux et comme eux." (Pressense 1868, 575. „Die aristokratische
[sc. katholische] Kirche schlechthin, die den bestbezahlten Klerus der Welt hat,
kann alle Ehren für sich reklamieren außer derjenigen, ein Abbild des armen
Gottmenschen zu sein, der die Geringen und Unwissenden das Evangelium
empfangen ließ, weil er mit ihnen und wie sie lebte.").
112, 6 f. wenn man mit seinen Eingeweiden Christ, Katholik und sogar Priester
geblieben ist!] Vgl. z. B. Hillebrand 1886b, 199 f.: „Seine [sc. Renans] Aristokra-
ten aber sind die Gelehrten — ich kann mir nicht helfen, ich sehe immer das
Ohrläppchen des Priesters, der alles Wissen besitzt." Demgegenüber Brandes
1887b, 76: „Er [sc. Renan] hatte gar nichts Priesterartiges und gar nichts von
dem Pathos eines Märtyrers des freien Gedankens. [...] ,Ich verkehre nicht mit
Katholiken', [sagt Renan]".
112, 7-12 Christ, Katholik und sogar Priester geblieben ist! Renan hat seine
Erfindsamkeit, ganz wie ein Jesuit und Beichtvater, in der Verführung; seiner
Geistigkeit fehlt das breite Pfaffen-Geschmunzel nicht, - er wird, wie alle Priester,
gefährlich erst, wenn er liebt. Niemand kommt ihm darin gleich, auf eine lebens-
gefährliche Weise anzubeten...] In W II 3, 11 heißt es stattdessen: „Katholik und
Femininum geblieben ist! Seine Finessen sind alle Weibs-Priester-finessen-
sie machen einem Manne beinahe Schande^} / Der Haß Renan's ist [...] nicht
aus erster Hand und (er ist) unschuldig und jedenfalls unschädlich: [...] aber
er versteht auf eine tödtliche Weise zu verehren" (KGW IX 7, W II 3, 11, 30-38
u. 17-22, vgl. KSA 14, 423). Über die Moral des Jesuitismus beabsichtigte N. sich
offensichtlich anhand des Compendium theologiae moralis des französischen
Jesuitenpaters Jean-Pierre Gury kundig zu machen (Gury 1862, vgl. NL 1886/87,
KSA 12, 5[110], 229 = KGW IX 3, N VII 3, 188, 2-4). Zu 112, 10-12 vgl. NL 1888,
KSA 13, 14[41], 238 f. (korrigiert nach KGW IX 8, W II 5, 169, 26-36; im Folgen-
den ohne durchgestrichene Passagen wiedergegeben): „Renan, der das mit den
Weibern gemeinsam hat, daß er nur lebensgefährlich wird, wenn er liebt; er
der niemals ohne kleine mörderische Nebenabsichten einen alten Götzen von
Ideal umarmt hat, immer neugierig, ob das, was er umarmt, nicht bereits
wackelt..." In dieser Notiz erscheint Renan als ein besonders kluger Götzen-
Kritiker. Diese Nähe zum Geschäft, das sich N. in GD selbst aufgibt, scheint in
der definitiven Fassung von GD Streifzüge eines Unzeitgemässen 2 die schroffe
Abgrenzung von Renan notwendig gemacht zu haben, will N. doch möglichst
ausschließen, verwechselt zu werden (EH Vorwort 1, KSA 6, 257).