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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,1): Kommentar zu Nietzsches "Der Fall Wagner", "Götzen-Dämmerung" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.70913#0458
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Stellenkommentar GD Streifzüge, KSA 6, S. 117-118 439

118, 10-14 Man hat, zur Ermöglichung der Musik als Sonderkunst, eine Anzahl
Sinne, vor Allem den Muskelsinn still gestellt (relativ wenigstens: denn in einem
gewissen Grade redet noch aller Rhythmus zu unsern Muskeln): so dass der
Mensch nicht mehr Alles, was er fühlt, sofort leibhaft nachahmt und darstellt.]
Der Begriff „Muskelsinn", der bei N. nur noch einmal in NL 1883, KSA 10,
12[27], 405, 1 vorkommt, wird in der zeitgenössischen Literatur rege disku-
tiert — häufig auch unter dem Titel „Muskelgefühl" oder „Gemeingefühl" (dazu
z. B. auch Kröner 1887, 27-31; von N. ist ein Passus mit „Muskelsinn" markiert
bei Bunge 1886, 4). „Muskelgefühl, eine zu den Gemeingefühlen ([...]) zählende
eigentümliche Empfindung der willkürlichen Muskeln, die man wieder in
Anstrengungs- und Ermüdungsgefühl zerlegen kann. [...] Die Empfindung von
dem Grade der erforderlichen Anstrengung zur Überwindung eines uns entge-
genstehenden Widerstandes ist so fein, daß sie uns Dienste leistet wie ein
Sinn, welchen man nach E. H. Weber /936/ als Kraftsinn (Muskelsinn) bezeich-
nen könnte." (Meyer 1885-1892, 11, 935 f., vgl. den langen Nachtrag zu „Mus-
kelsinn" ebd., Suppl.-Bd. 1891-1892, 653-656).
Der unmittelbare Bezugspunkt der Überlegung von 118, 10-14 sind die sin-
nesphysiologischen Untersuchungen von Charles Fere, der die Wirkung von
Tönen auf den Gehör- und den Muskelsinn testet: „En ce qui concerne le sens
de l'ouie, par exemple, j'ai pu constater ä l'aide de differents instruments que
les sons ont une action dynamogene qui varie avec leur /35/ intensite et leur
hauteur, c'est-ä-dire que l'intensite des sensations de l'ouie, mesuree par leur
Äquivalent dynamique, est en rapport avec l'amplitude et le nombre des vibrati-
ons. I Comme lorsqu'il s'agissait des excitations psychiques ou du sens muscu-
laire, lorsque l'excitation a depasse une certaine intensite variable pour chaque
sujet, la dynamogenie cesse de s'accroitre, et on observe un epuisement en
rapport avec la decharge dont la forme et la direction sont souvent insaisissa-
bles. / Un sujet par exemple place devant un piano donne une pression dyna-
mometrique croissante sous l'influence de l'excitation par des sons croissants,
puis l'ascension s'arrete, et les excitations suivantes produisent des effets
decroissants ([...]). La sincerite du resultat est confirmee par le trace plethismo-
graphique pris sur le meme sujet ([...]), et qui montre que sous l'influence /36/
des memes sons successifs, l'afflux du sang augmente puis diminue dans
l'avant-bras et la main." (Fere 1887, 34-36. „Was beispielsweise den Gehörsinn
betrifft, habe ich mit Hilfe verschiedener Instrumente feststellen können, dass
die Geräusche eine dynamogene Wirkung haben, die mit ihrer /35/ Höhe und
Intensität variiert. Das heißt, dass die Intensität der Empfindungen des Gehörs,
wenn sie mit ihrem dynamischen Äquivalent gemessen wird, im Zusammenhang
mit der Amplitude und der Anzahl der Vibrationen steht. I Wie bei psychischen
Erregungen oder beim Muskelsinn, wenn die Reizung eine bestimmte für jedes
 
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