Metadaten

Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,1): Kommentar zu Nietzsches "Der Fall Wagner", "Götzen-Dämmerung" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2012

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.70913#0463
License: In Copyright

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
444 Götzen-Dämmerung

ständen nicht überliefert ist, erlauben Zitate eine eindeutige Quellenidentifika-
tion.
119, 11 f. diese heroisch-moralische Interpretation dyspeptischer Zustände] Vgl.
NK 111, 12 f. und Froude 1887, 1, 27 f.: „Er [sc. Carlyle] wurde von Dyspepsie
heimgesucht, ein Übel, das ihn nie ganz verließ, und schon in jungen Jahren
eine höchst qualvolle Form annahm und, ,wie eine Ratze in der /28/ Höhle
seines Magens nagte'. Der Schmerz machte ihn rasend, und in solcher Stim-
mung wurden die gewöhnlichsten Übel dieses Lebens zu unerträglichen Schre-
cken." Froude 1887, 1, 32: „Dyspepsie hatte ihn bei der Kehle. Selbst die gering-
fügigen Leiden, denen wir unterworfen sind und die die meisten von uns
stillschweigend ertragen, wurden von seiner beredten Einbildungskraft zu Ver-
suchungen des Heiligen vergrößert. Schon seine Mutter hatte frühzeitig von
ihm gesagt: ,es ist übel mit ihm auskommen'. Während er in wichtigen Dingen
der rücksichtsvollste und freigiebigste aller Menschen war, so war er in Kleinig-
keiten unerträglich reizbar. Sein körperliches Leiden erklärt das Meiste."
Das von N. sonst benutzte Compendium der praktischen Medicin führt Dys-
pepsie übrigens nicht als Terminus, sondern spricht vom „acute[m]" und
„chronische[m] Magencatarrh" (Kunze 1881, 255-259 bzw. 259-262). Vgl. NK
KSA 6, 271, 25 u. 302, 32. Dyspepsie und Verdauungsstörung sind beim späten
N. auch assoziiert mit der Unfähigkeit, vergessen zu können, siehe GM II 1,
KSA 5, 291 f. u. KSA 6, 280, 5 f.
119, 12-17 Carlyle, ein Mann der starken Worte und Attitüden, ein Rhetor aus
Noth, den beständig das Verlangen nach einem starken Glauben agagirt und
das Gefühl der Unfähigkeit dazu (— darin ein typischer Romantiker!). Das Ver-
langen nach einem starken Glauben ist nicht der Beweis eines starken Glau-
bens, vielmehr das Gegentheil.] Froude 1887, 1, 44 zitiert aus Carlyles berühm-
tem Roman Sartor Resartus: „Denjenigen Lesern, die über das menschliche
Leben nachgedacht haben [...] und im Widerspruch mit der hergebrachten
Gewinn- und Verlustphilosophie zu ihrem Glück entdeckt haben, daß Seele
nicht gleichbedeutend mit Magen ist, und die deshalb, um mit den Worten
unseres Freundes zu reden, einsehen, daß der Glaube für das Wohl des Men-
schen recht eigentlich das eine genannt werden kann, das not thut; [...] sol-
chen Lesern wird es klar sein, daß der Verlust religiösen Glaubens für eine
reine, moralische Natur wie die seine, ein Verlust war, der alles andere in sich
schloß." Wie sich Carlyle selbst immer stärker vom überlieferten christlichen
Glauben abgewandt hatte, um an den Glauben selbst zu glauben, führt Froude
breit aus (vgl. auch Flügel 1887, 115-127).
119, 20 f. das fortissimo seiner Verehrung für Menschen starken Glaubens] Vgl.
z. B. den Bericht, den Froude 1887, 2, 332 von Carlyles Rede als Rektor der
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften