Stellenkommentar GD Streifzüge, KSA 6, S. 121 453
Aehnlichkeiten, in welchen ein sonst schutzloses Thier die Form und Färbung
eines andern, auf besondere Weise geschützten nachahmt und dadurch höchst
wahrscheinlich den Nachstellungen seiner Feinde leichter entgeht, als es ohne
diese Verkleidung zu thun vermöchte. Auch hier wieder kann der so durch
die /234/ Maskerade gewährte Schutz sowol dem Verfolger als auch dem Ver-
folgten zugute kommen; jenem, indem er ihn den wachsamen Augen seiner
Beute verbirgt, diesem, indem er das vertheidigungslose Thier schützt, welches
sich unter die gut vertheidigten Formen mengt, denen es die Kleidung
abborgte." (Semper 1880, 2, 233 f.) Vgl. auch Stegmaier 1987, 276, Fn. 25 u.
Stack 1983, 177 f.
15
Der Abschnitt verwertet zwei Nachlassnotizen, zum einen NL 1887, KSA 12,
9[99], 392 (korrigiert nach KGW IX 6, W II 1, 63, 22-30, im Folgenden ohne
durchgestrichene Passagen wiedergegeben): „NB(.) Nicht klug sein wollen, wir
dürfen nicht einmal klug sein: Wer aus seinem Wissen, aus seiner Menschen-
kenntniß kleine Vortheile erschnappen will (- oder große, gleich wie der Politi-
ker -) geht vom Allgemeinen zum Einzelnsten Fall zurück; aber diese Art Optik
ist jener anderen entgegengesetzt, die wir allein brauchen können: wir sehen
vom Einzelnsten hinaus —". Hier ist die Frage nach dem geeigneten psycho-
logischen Beobachterstandpunkt des sprechenden Wir noch präsent, während
in der Druckversion von GD Streifzüge eines Unzeitgemässen 15 die Beobachter
selbst zum Gegenstand der Beobachtung gemacht werden.
Zum anderen ist NL 1887, KSA 12, 9[101], 392 (korrigiert nach KGW IX 6, W
II 1, 63, 40-44) anzuführen: „NB. Dieser lernte die Menschen kennen, — er
will dergestalt kleine Vortheile über sie erschnappen (oder große wie der Politi-
ker.) Jener lernt die Menschen kennen, — er will einen noch größeren
Vortheil, sich ihnen überlegen zu fühlen, er wünscht zu verachten."
121, 16-23 das sei ein grosser „Unpersönlicher". Seht schärfer zu! Vielleicht
will er sogar noch einen schlimmeren Vortheil: sich den Menschen überlegen
fühlen, auf sie herabsehn dürfen, sich nicht mehr mit ihnen verwechseln. Dieser
„Unpersönliche" ist ein Menschen-Verächter: und jener Erstere ist die huma-
nere Species, was auch der Augenschein sagen mag. Er stellt sich wenigstens
gleich, er stellt sich hinein...] Vgl. GD Streifzüge eines Unzeitgemässen 28,
KSA 6, 129, 11-22. Während N. in frühen Überlegungen einer „unpersönlichen
Leidenschaft" sich durchaus nicht abgeneigt zeigte (z. B. NL 1875, KSA 8, 11[58],
243), kritisiert er schon in MA I 95, KSA 2, 92, 1 f. die Ansicht, dass „das Unper-
sönliche" das „eigentliche Kennzeichen moralischer Handlung" sei (im Blick
Aehnlichkeiten, in welchen ein sonst schutzloses Thier die Form und Färbung
eines andern, auf besondere Weise geschützten nachahmt und dadurch höchst
wahrscheinlich den Nachstellungen seiner Feinde leichter entgeht, als es ohne
diese Verkleidung zu thun vermöchte. Auch hier wieder kann der so durch
die /234/ Maskerade gewährte Schutz sowol dem Verfolger als auch dem Ver-
folgten zugute kommen; jenem, indem er ihn den wachsamen Augen seiner
Beute verbirgt, diesem, indem er das vertheidigungslose Thier schützt, welches
sich unter die gut vertheidigten Formen mengt, denen es die Kleidung
abborgte." (Semper 1880, 2, 233 f.) Vgl. auch Stegmaier 1987, 276, Fn. 25 u.
Stack 1983, 177 f.
15
Der Abschnitt verwertet zwei Nachlassnotizen, zum einen NL 1887, KSA 12,
9[99], 392 (korrigiert nach KGW IX 6, W II 1, 63, 22-30, im Folgenden ohne
durchgestrichene Passagen wiedergegeben): „NB(.) Nicht klug sein wollen, wir
dürfen nicht einmal klug sein: Wer aus seinem Wissen, aus seiner Menschen-
kenntniß kleine Vortheile erschnappen will (- oder große, gleich wie der Politi-
ker -) geht vom Allgemeinen zum Einzelnsten Fall zurück; aber diese Art Optik
ist jener anderen entgegengesetzt, die wir allein brauchen können: wir sehen
vom Einzelnsten hinaus —". Hier ist die Frage nach dem geeigneten psycho-
logischen Beobachterstandpunkt des sprechenden Wir noch präsent, während
in der Druckversion von GD Streifzüge eines Unzeitgemässen 15 die Beobachter
selbst zum Gegenstand der Beobachtung gemacht werden.
Zum anderen ist NL 1887, KSA 12, 9[101], 392 (korrigiert nach KGW IX 6, W
II 1, 63, 40-44) anzuführen: „NB. Dieser lernte die Menschen kennen, — er
will dergestalt kleine Vortheile über sie erschnappen (oder große wie der Politi-
ker.) Jener lernt die Menschen kennen, — er will einen noch größeren
Vortheil, sich ihnen überlegen zu fühlen, er wünscht zu verachten."
121, 16-23 das sei ein grosser „Unpersönlicher". Seht schärfer zu! Vielleicht
will er sogar noch einen schlimmeren Vortheil: sich den Menschen überlegen
fühlen, auf sie herabsehn dürfen, sich nicht mehr mit ihnen verwechseln. Dieser
„Unpersönliche" ist ein Menschen-Verächter: und jener Erstere ist die huma-
nere Species, was auch der Augenschein sagen mag. Er stellt sich wenigstens
gleich, er stellt sich hinein...] Vgl. GD Streifzüge eines Unzeitgemässen 28,
KSA 6, 129, 11-22. Während N. in frühen Überlegungen einer „unpersönlichen
Leidenschaft" sich durchaus nicht abgeneigt zeigte (z. B. NL 1875, KSA 8, 11[58],
243), kritisiert er schon in MA I 95, KSA 2, 92, 1 f. die Ansicht, dass „das Unper-
sönliche" das „eigentliche Kennzeichen moralischer Handlung" sei (im Blick